Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
fertig, mit Hilfe einer meiner Haarnadeln, mit der ich heute meine Haare hochgesteckt hatte, die Tür zu öffnen. Von Jim war nirgends eine Spur.
Immerhin fanden wir eine Skizze, auf der Jim sich offenbar den Weg zum Landhaus der Barnstables notiert hatte. So brachen wir nach Barnstable Manor auf. Dämmerung hatte sich über London gelegt, und ich telefonierte kurz noch per Handy mit Tante Lizzy, damit sie wußte, wo ich war und sich keine Sorgen machte. Barnstable Manor lag in der Nähe der kleinen Gemeinde Rimsbury. In der Dunkelheit wurde es immer schwieriger, den Weg zu finden. Außerdem zogen dicke Wolken auf. Wir brauchten länger als eine halbe Stunde, aber das lag vielleicht daran, da wir den Weg nicht kannten. Auf immer kleineren Straßen kamen wir schließlich nach Rimbury, einem kleinen Nest, das aus kaum mehr als einigen wenigen Häusern zu bestehen schien. Es hatte angefangen zu regnen. Die Tropfen prasselten nur so auf das Dach meines roten Mercedes 190.
Die Sicht war schlecht. Die Wischblätter der Scheibenwischer schafften es kaum, den Regen von der Frontscheibe zu bringen.
Hin und wieder vernahmen wir ein Donnergrollen. Ich zuckte etwas zusammen.
Unwillkürlich dachte ich an meine Vision. An die Blitze in den Augen dieser geheimnisvollen Frau...
Tom lächelte.
"Der sicherste Ort bei einem Gewitter ist ein Auto!" erklärte er. "Es bildet einen sogenannten Faradayschen Käfig, der auch noch so große elektrische Entladungen ableitet!"
Ich atmete tief durch.
"Ich weiß", murmelte ich. "Trotzdem... Diese Ahnungen..." Ich schluckte.
Er berührte mich leicht am Oberarm.
"Ich wollte mich nicht über dich lustig machen, Patti..."
"Ach, Tom, wie sehr würde ich mir wünschen, wenn das alles nichts weiter als eine hysterische Einbildung wäre..." Tom deutete auf die Landkarte, die er in den Händen hielt. Mit einer kleinen Taschenlampe hatte er sie zu studieren versucht. Immerhin war ich nach seinen Anweisungen bis hier gelangt. Aber nun wußte er nicht mehr weiter. Wir hielten an einer Kreuzung - wenn man das so nennen konnte. Jedenfalls gabelte sich hier die Straße. Rechts war eine Tankstelle, an der sogar noch Licht war. Links ein Gasthaus, vor dem mehrere Fahrzeuge standen. Dahinter ragte der düstere Schatten eines Kirchturms hoch hinauf. Dies schien das zu sein, was man in Rimsbury unter einem Stadtzentrum verstand.
"Wohin?" fragte ich.
"Keine Ahnung", erwiderte Tom.
"Was steht denn in Jims Notizen?"
"Sind widersprüchlich. Und zwei Wörter kann ich nicht lesen."
"Zeig mal her!"
Er gab mir den Zettel. Aber was ich da sah wäre vielleicht ein Fall für meinen Großonkel Frederik Vanhelsing gewesen, der als versierter Archäologe wußte, wie man bisher unbekannten Zeichen ihre Bedeutung entlockte.
Ich zuckte die Achseln.
"Ich schlage vor, wir fragen mal bei der Tankstelle!" meinte Tom dann.
Ich warf einen kurzen Blick auf die Tankanzeige und fand, daß das auch noch aus einem anderen Grund eine gute Idee war.
*
Der Tankwart war ein kleiner Mann mit gebeugtem Gang und hervorspringender Nase.
Sein Blick war voller Mißtrauen. Die Geldscheine, mit denen ich das Benzin bezahlte, sah er sich sehr genau an. Nachdem sie diese Prüfung überstanden hatten, öffnete er die Kasse und ordnete sie sehr sorgfältig ein.
"Wir suchen Barnstable Manor", sagte Tom. "Ein Herrensitz, der sich hier ganz in der Nähe befinden muß..." Der Mann blickte auf.
In seinen Augen flackerte es unruhig.
Dann brummte er düster etwas Unverständliches vor sich hin.
"Müssen wir rechts oder links fahren ?" fragte Tom dann einen Moment später.
"Links", murmelte er.
Genau in diesem Augenblick blitzte es draußen grell auf. Ein ohrenbetäubender Donner ließ uns alle zusammenzucken. Das Gewitter mußte sich direkt über uns befinden... Ich spürte plötzlich einen Druck hinter den Schläfen. Ein eigenartiges, pulsierendes Gefühl...
Eine mentale Kraft!
Ich hatte derartige Empfindungen des öfteren gehabt. Zumeist in Gegenwart von übersinnlich begabten Menschen, bei der Beschwörung von Wesen aus anderen Dimensionen oder bei der Durchführung bestimmter okkulter Rituale. Immer dann, wenn große geistige Energien eingesetzt wurden. Einen Moment lang war mir geradezu schwindelig. Ich taumelte. Alles drehte sich vor meinen Augen, und ich griff nach dem Tresen, hinter dem der Tankwart stand. Tom griff mir unter den Arm.
Er hatte gleich begriffen, was los war.
"Sie müssen selbst wissen, was Sie tun", sagte der
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