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Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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betrat. Eine wunderschöne Frau stand mit einem Kind im Arm am offenen Fenster und lächelte ihn an. Nein, ich träume nicht, dachte er, ich bin in die Vergangenheit zurückgekehrt. Wie sonst sollte die Base des Architectulus jetzt hier sein können? Eine solche Frau kann mein Sohn doch nicht über Jahre hinweg versteckt gehalten haben. Welchen Grund sollte es dafür geben?
    »Setz dich doch und wiege deine Enkelin Dunja auf den Knien«, forderte Lucas seinen Vater auf.
    »Dunja?«, fragte Odo erstaunt.
    »Nach der zweiten Frau meines Vaters benannt«, sagte Ezra. »Ich freue mich, Meister Odo, endlich mit dir sprechen zu können.«
    »Wie heißt du, Kind?«, fragte Odo benommen. »Ich habe dich damals gesehen, aber deinen Namen vergessen.«
    Ezra löste das zurückgesteckte Haar und ließ es sich ins Gesicht fallen.
    »Du kennst mich, Meister Odo«, sagte sie leise, »und wirst jetzt verstehen, warum ich zuvor nicht gesprochen habe.«
    Die in letzter Zeit oftmals trüben Augen des alten Baumeisters weiteten sich.
    »Architectulus … «, murmelte er erschüttert.
    »Architectula, Herr Vater«, verbesserte Lucas lachend, legte einen Arm um Ezra und küsste seiner Tochter die Wange. »Hast du dich von deiner Überraschung genügend erholt, um deine Enkelin gefahrlos auf deinen Knien zu wiegen?«
    Noch bevor die Speisen aufgetischt worden waren, verlangte der Kaiser die Wünsche seiner Baumeister zu hören.
    »Wir haben nur einen einzigen, mein Kaiser«, sprach Odo für alle drei, so wie sie es zuvor abgesprochen hatten. »Der allerdings schwer zu erfüllen ist.«
    Er machte eine Pause. An der langen Tafel herrschte gespanntes Schweigen.
    »Nur zu, Meister Odo«, forderte ihn Karl auf, »wenn es in meiner Macht steht, sei euch euer Wunsch gewährt. Sprich!«
    Odo holte tief Luft.
    »Ich bin alt«, sagte er leise, »und spüre mein Ende nahen. Nichts wünsche ich mir sehnlicher, als für immer die Augen dort zu schließen, wo ich sie erstmals geöffnet habe.«
    »Mein lieber Freund!«, rief der Kaiser, »du hast noch viele gute Jahre vor dir! Und wenn Gott deine Stunde für gekommen hält, nun, Metz liegt nicht in allzu weiter Ferne … «
    »Der Berg Ararat schon«, flüsterte Odo.
    »Wo die Arche Noah gestrandet ist?«, warf Einhard rätselnd ein.
    »Ja, von dorther stamme ich«, sagte der alte Baumeister. Am Tisch wurde jetzt vernehmlich geflüstert. Mit einer ungeduldigen Handbewegung forderte der Kaiser Schweigen ein.
    »Weshalb nennst du dich dann Odo von Metz?«, fragte er verärgert.
    »Man hat mich so genannt, als ich vor langer Zeit aus Metz nach Aachen kam. Ich sah keinen Anlass, dies zu berichtigen. Zumal … «, er machte eine Pause.
    »Zumal?«
    »Zumal in meiner Heimat nicht nur Christen leben, ich aber christliche Bauwerke errichten wollte.«
    Um des Kaisers Mund spielte ein winziges Lächeln. »Du hast also geglaubt, ich würde es ablehnen, einen Baumeister in die Verantwortung zu nehmen, der aus dem fernen, möglicherweise unchristlichen Osten kommt?«
    Odo senkte die Lider.
    »Du hast dich geirrt«, sprach der Kaiser und sah Ezra eindringlich an.
    »Was wünschst du dir, Architectulus?«
    Sie deutete auf Odo.
    »Verstehe ich es recht, Lucas, Sohn des Odo, dass euer aller Wunsch also darin besteht, aus meinem Dienst entlassen zu werden?«
    »Ja, Herr Kaiser«, antwortete Lucas atemlos.
    Der Kaiser wiegte das Haupt und sprach dann: »Diesen Wunsch kann ich dir nicht gewähren.«
    Wieder ging ein Raunen durch den Saal. Ezra stiegen die Tränen in die Augen. Sie hatten alles so wunderbar geplant. Isaak, den sie am Nachmittag bei Abul Abbas aufgesucht und über die jüngsten Entwicklungen aufgeklärt hatte, war einverstanden gewesen, sie alle bei seinem nächsten Zug gen Osten bis nach Konstantinopel mitzunehmen.
    »Du bleibst in meinen Diensten, Lucas«, sagte der Kaiser streng. »Ich brauche nämlich einen kundigen Baumeister, da die capella noch einiger Anbauten bedarf und meine Pfalz erweitert werden soll. Du, Odo von Ararat, magst dich auf den Weg in deine alte Heimat begeben. Nimm den Architectulus mit, wenn ihm dies behagt. Ich danke euch beiden für eure Arbeit, entlasse euch und wünsche euch eine gesegnete Reise. Du, Lucas, bleibst jedoch am Hof.« Er legte eine Pause ein, ehe er hinzusetzte: »Allerdings ist es nicht gut, dass der Mensch allein sei. Ein verheirateter Mann arbeitet mit größerer Zufriedenheit. Sieh dich also nach einer Frau um, Lucas, Sohn des Odo. Vielleicht findest du sie,

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