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Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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hatte sich das Holz des Rahmens durch das Beben verzogen. Das Haus wackelte, knackte und ächzte. Ezra war gefangen; Sie schrie, aber ihre Rufe gingen im Gepolter um sie herum unter. Zudem war niemand mehr im Haus. Lucas würde nicht nach ihr suchen, er glaubte sie schon längst im Freien, und wenn er sie dort nicht sah, würde er vermuten, dass sie zur Hütte des Schmiedes gerannt wäre oder in der capella Schutz gesucht hätte, dem stabilsten Bauwerk weit und breit. Ganz Aachen würde sich jetzt in der Kirche zu versammeln suchen, sich im Sechzehneck drängen, um nicht niederstürzenden Balken des Lehrgerüsts ausgesetzt zu sein.
    In der Dunkelheit blickte Ezra angstvoll hinauf zur Decke, von der bereits Sand und Werg niederrieselten. Ihre Augen brannten. Wenn das Haus zusammenstürzte, würde es sie unter sich begraben. Doch war dieser Gedanke weitaus weniger schrecklich als der an die Gefahr, der ihre Tochter so nahe den Schmiedefeuern ausgesetzt war. Hatten es Maria und Alboin geschafft, Dunja rechtzeitig in Sicherheit zu bringen? Oder würden sie in dem möglichen Inferno das kleine Baumeistermädchen zurücklassen, um ihre eigenen Kinder zu retten?
    Wieder bebte die Erde. Ezra verlor das Gleichgewicht und stürzte aufs Bett. Etwas rutschte über die Bank an der Wand und schlug dumpf auf dem Holzboden auf. Mit zitternden Fingern ertastete Ezra das kostbare große Koranbuch, das ihr Isaak aus Bagdad mitgebracht hatte. Sie schlug es in der Mitte auf und legte es sich über den Kopf. So war zumindest dieser durch Allahs Wort geschützt, sollte die Decke einbrechen. Ezra begann laut zu beten.
    Mit Gerswind neben sich wanderte der Kaiser im Morgengrauen durch seine Stadt. Hinter ihnen gingen Hofbeamte mit dem Auftrag, sich Bedürftiger, Verletzter oder Verwirrter augenblicklich anzunehmen. Die Männer hatten viel zu tun.
    »Als hätten die Sachsen gewütet«, murmelte Karl angesichts zahlloser zusammengefallener Bretterhütten, endgültig eingestürzter römischer Ruinen und schwelender Brandherde. Die meisten Fachwerkhäuser hatten dem Beben allerdings getrotzt.
    »Oder die Franken«, sagte Gerswind leise. Sie blieb vor einem breiten Riss stehen, der sich quer über die Straße zog, und dachte an ihre vielen Angehörigen, die in den von Franken gelegten Feuersbrünsten den Tod gefunden hatten.
    »Die Erde hat sich aufgetan«, flüsterte sie, »weil wir Menschen uns zu viel anmaßen. Sie zeigt uns, wer die wahre Macht innehat.«
    Karl nahm ihren Arm und half ihr über den Erdspalt hinweg. »Wir Christen, meine geliebte sächsische Beutefrau«, sagte er voller Zuneigung, »nennen diese Macht Gott. Das solltest du inzwischen gelernt haben. Und, wie du siehst, hat Gott sein Haus verschont.«
    Er deutete zur capella hinüber und dankte dem Herrn, dass dieser seine Baumeister so weise geleitet hatte. Wie hatte er gezürnt, als sie sich im Herbst geweigert hatten, mit dem Mauern der Kuppel zu beginnen! Der Herr Kaiser möge sich bis zum Frühjahr gedulden, hatte ihn Lucas angefleht. Das Lehrgerüst sei zwar fertiggestellt, doch der Frost könne das frische Mauerwerk beschädigen.
    »Euer Jahr ist bald um!«, hatte er Ezra angebellt, die daraufhin einen abgeknickten Finger gehoben hatte.
    Niemand hatte allerdings damals an ein solch heftiges Erdbeben gedacht. Das auch Karls Kirche nicht ganz ohne Schaden hatte davonkommen lassen, wie er wenig später erfuhr, als er mit Gerswind den Bau betrat.
    »Fünf Risse im Mauerwerk«, stellte Lucas fest, »im Scheitel der Gewölbe im Nordwesten, im Süden und in der Kaiserloge sowie im Anschluss zum Oktogon im West- und Südwestjoch. An der Nordwest- und Südseite reichen die Risse leider bis tief ins Fundament hinein. Wir werden sie flicken müssen.«
    »Wo ist der Architectulus?«, fragte Karl.
    Lucas senkte die Lider.
    »Bei der Frau des Schmiedemeisters«, flüsterte er. »Die Decke der Kammer ist auf ihn herniedergekommen. Ezra hat sich einen Arm und einige Rippen gebrochen. Zum Glück hat er sich den Kopf schützen können.«
    »Und wo warst du?«, fuhr ihn der Kaiser an.
    »Mein Vater … «, stotterte Lucas.
    »Ist er auch verletzt?«
    »Nein, aber er ist gestürzt. Auch er erholt sich in der Hütte des Schmiedemeisters; unser Haus ist derzeit unbewohnbar; wir müssen die Decke flicken.«
    »Du bist für beide verantwortlich«, erklärte der Kaiser, »und jetzt zeige mir die Risse. Von flicken will ich dabei nichts hören. Ich will wissen, wie man sie ungeschehen machen

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