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Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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kann.«
    Lucas winkte Alboin zu sich heran. Dieser erläuterte dem Kaiser, wie er die Risse in den Gewölben mit Blei verfüllen wolle, um das Mauerwerk zu stabilisieren.
    »Die Risse sind auch Wegweiser«, meldete sich Lucas zu Wort. »Sie zeigen uns auf, wo die Linien der Kräfte liegen. Demnach haben wir unsere Stützen für die Kuppel an genau den richtigen Stellen angebracht. Vielleicht könnte Meister Alboin mit Eisenstempeln … «
    »Langobarde«, unterbrach Karl und sprach den rothaarigen Schmied an. »Es war ein guter Tag, an dem du meinem Boten Isaak begegnet bist, wiewohl du das damals vielleicht anders gesehen haben magst. Die Wege des Herrn sind unergründlich, aber sie führen jeden an das Ziel, das ihm bestimmt ist.« Er legte einen Arm um Gerswind und zog sie an sich. »Auch der Tochter Widukinds schien einst ein anderes Schicksal zu dräuen. Jetzt habt ihr beide eine sichere Heimat in meinem Reich gefunden, Wohlleben und eine Zukunft für eure Nachkommen. Das mag euch mit euren Verlusten versöhnen.«
    Er deutete nach oben.
    »Wir werden bald alle gemeinsam für diejenigen beten, die in die Ewigkeit eingegangen sind. Unter einer Kuppel, die für ebendiese gemacht ist.«
    Das Mauern der Kuppel ging schneller vonstatten als alle Vorbereitungen zu diesem Werk. Als sich der Kalif von Bagdad für einen gewaltigen Feldzug gegen Konstantinopel wappnete und Ludwig von Aquitanien Barcelona von den Arabern erobert hatte, näherte sich der Bau seiner Vollendung. Papst Leo kam Ende des Jahres nach Aachen , um die Kirche zu weihen. Er stand vor der capella und murmelte voller Staunen ein paar Worte. Nur der Kaiser war ihm nahe genug, um sie zu verstehen: »Wie ein im Norden gestrandetes arabisches Bauwerk.« Karl beugte sich zum Papst hin und murmelte zurück: »Recht hast du, Jerusalem ist schließlich die Heimat unseres Herrn Jesus Christus.«
    Im Inneren der Kirche schwebte noch stets der Fachwerkwald. Karl erklärte dem Heiligen Vater, der Mörtel müsse einen Winter lang ordentlich aushärten, weshalb man die Stützen erst im Frühjahr fortnehmen dürfe.
    april 804
    Die Kuppel trug. Eine Woche hatte es gedauert, bis das Lehrgerüst abgebaut war. Die Steine blieben oben. So konnte endlich die erste Messe unter der fertigen Kuppel gefeiert werden. Voller Entzücken schaute der Kaiser vom Thron seiner Loge aus unentwegt hinauf, wiewohl ihm noch stets Teile des Gerüsts den vollen Blick auf die Kuppel verwehrten. Doch diese Holzkonstruktion stützte keine Steine mehr ab. Von ihr aus hatten die Maler schon im Winter damit begonnen, Ezras Skizze als Grundlage für die Mosaikkünstler auf die Kuppel zu übertragen; jene Szene aus der Offenbarung des Johannes, in der die vierundzwanzig Ältesten dem Messias huldigen und ihm ihre Kronen darbringen.
    Nach der Messe spendete der Kaiser noch in der Kirche den Baumeistern reichlich Lob. Er lud sie für den Abend ein, an seiner Tafel mit ihm zu speisen, wo er mit ihnen über weitere grandiose Bauten für seine Pfalz sprechen wolle.
    »Ein jeder von euch wird einen Wunsch äußern dürfen«, sagte er, sah vor allem Ezra eindringlich an und setzte hinzu: »Überlegt euch gut, was ich euch gewähren soll.«
    Odo schien an diesem Tag seltsam bedrückt.
    Er saß auf dem Hocker in der Werkstatt ihres längst wiederhergestellten Wohnhauses und sah blicklos zum Fenster hinaus.
    »Wir könnten uns eine große neue Werkstatt wünschen«, überlegte Lucas.
    Ezra schüttelte den Kopf. Die würde ihnen der Kaiser jederzeit zugestehen. Sie wünschte sich etwas ganz anderes. Odo auch.
    »Meinen größten Wunsch kannst nur du mir erfüllen, mein Sohn«, sagte der alte Baumeister leise, erhob sich und wandte sich Lucas zu. »Ich möchte der Welt nicht nur geordnete Steine hinterlassen; ich möchte einen Enkel auf meinen Knien wiegen. Wann gedenkst du endlich zu heiraten?«
    Ezra sog die Luft ein. Sie nickte Lucas zu. Es war Zeit, Odo ins Vertrauen zu ziehen.
    »Setz dich, Herr Vater«, sagte er eindringlich und führte Odo zum Hocker zurück. »Hör mir bitte gut zu: Ich habe bereits Weib und Kind.«
    Odo begann schwer zu atmen.
    »Du sprichst wirr, mein Sohn!«
    »Nein, Herr Vater. Ich möchte dich mit beiden bekannt machen. Nur wird es eine kurze Zeit dauern, bis sie hier sein können. Leg dich doch so lange hin und erhole dich von den Anstrengungen des Morgens; ich werde dich wecken, wenn meine Familie hier ist.«
    Odo blieb die Luft weg, als er wenig später die Werkstatt wieder

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