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Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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in die nasse Tiefe.
    Da sie nicht schwimmen konnte, hielt sie sich sicherheitshalber am Beckenrand fest. Zu ihrer Erleichterung reichte ihr das Wasser aber nur bis an die Brust. Sie rieb ihren Busen, froh, zumindest in den Nachtstunden des lästigen Verbandes entledigt zu sein, der ihn unter ihrer Männerkleidung flach presste, und ließ sich dann einfach nach hinten fallen und streckte sich aus. Wie Seide umschmeichelte das lauwarme Wasser ihre Haut. Sie schloss die Augen und stellte sich vor, nach einem langen heißen Tag unter dem Sternenhimmel ihrer Kindheit im kleinen Bassin ihres Bagdader Atriums zu liegen. Erst jetzt begriff sie, wie glücklich und geborgen sie sich dort immer gefühlt hatte. Das Salz der Sehnsucht brannte ihr in den Augen. Um es fortzuspülen, drückte sie ihren Kopf unter Wasser.
    Als sie wieder auftauchte, ihre Augen der dunklen fränkischen Wirklichkeit aussetzte und ihr schulterlanges schwarzes Haar auswrang, fiel ihr ein, dass die Häupter der Königstöchter allesamt mit hellen oder roten Schöpfen gekrönt waren. Niemand würde sie mit einer von ihnen verwechseln. Rasch kletterte sie aus dem Becken und warf sich ihre Tunika wieder über. In Aachen war sie nicht sicher.
    Sie durfte das Schicksal nicht mehr als nötig herausfordern. Erst am Vorabend hatte es Iosefos noch ein großes Glück genannt, dass sie ihre wahre Wesenheit trotz des engen Zusammenlebens bislang erfolgreich vor Odo und seinem Sohn hatte verbergen können. Ihres Vaters nächste Worte aber hatten eine seltsame Unruhe in ihr ausgelöst. »Lucas ist eine Gefahr«, hatte er gesagt. »Er sieht dich manchmal an, als hätte er ungesunde Neigungen. Wer weiß, zu was er fähig ist, sollte er die Wahrheit erfahren. Sieh zu, dass du nie mit ihm allein bist.«
    Dafür hatte sie bisher schon gesorgt, so schwer es ihr auch gefallen war, aber nach diesen Worten geschah etwas Unerklärliches. Über das sie, auch jetzt, in der Nacht danach, noch erschauerte. Als hätte eine fremde Hand ihren Stilus geführt, hatte sie ich will die Wahrheit bekennen auf ihre kleine Wachstafel gekritzelt. Sie hatte dann genauso erschrocken wie ihr Vater auf das Geschriebene gestarrt, anschließend schnell den Kopf geschüttelt und die Worte wütend ausgekratzt.
    Ihre Wahrheit war in Aachen noch gefährlicher als in Bagdad. Hier ging es wirklich um Leben oder Tod. Mit dem Lügengebäude ihres Lebens würde sie auch die Glaubwürdigkeit ihres Vaters umstürzen. Dann wäre Odo am Ziel und ihr Vater vermutlich tot.
    Zudem war sie auch hier im Norden nicht im Mindesten daran interessiert, das langweilige Leben eines Mädchens zu führen. Wahrscheinlich würde man sie zwingen, Allah zu entsagen und zum Christentum überzutreten, damit man sie in irgendeinem Eheverbund verschwinden lassen konnte. Wo sie ihre Begabung darauf verwenden würde, Tontöpfe mit hübschen Mustern zu verzieren und als einzige architektonische Herausforderung einen Vorschlag für die Anlage des häuslichen Aborts zu machen. Kein Mann würde ihr in wichtigen Belangen Gehör schenken, kein König ihre Fähigkeiten zu schätzen wissen. Nein, sie wollte kein Mädchen sein.
    Was also war in sie gefahren? Welcher Dschinni hatte ihren Stilus missbraucht?
    Sie hörte einen Vogel zwitschern, als sie das Badehaus verließ. In diesem ersten Frühlicht hätte sie mühelos einen schwarzen von einem weißen Faden unterscheiden können; die Zeit für das Morgengebet war angebrochen. Hastig kehrte sie in die Werkstatt zurück und zog die Gebetsmatte hervor, die sie schon am ersten Tag eigenhändig angefertigt und bemalt hatte.
    Weise mir den richtigen Weg, Allah , flehte sie stumm, als sie sich später auf ihrem Lager ausstreckte. Und dann lächelte sie. Weil ihr wieder einfiel, dass er ihr in der Nacht gezeigt hatte, mit welchem Mittel sie dem Sumpf ein Fundament abringen konnten.
    »Ezra?«
    Erschrocken öffnete sie die Augen. Lucas hockte vor dem Tisch und blickte in ihre Schlafhöhle hinein.
    »Guten Morgen! Ich habe geklopft, aber du hast mich nicht gehört«, entschuldigte er sich und forderte sie auf, weiterzuschlafen. Er wolle sich an die Arbeit setzen. Frühmorgens kämen ihm die besten Gedanken.
    Und mich besuchen sie nachts, dachte Ezra.
    Doch während sie sich unter dem Tisch in ihre Männerkleidung zwängte, kamen ihr Zweifel. Die nächtliche Lösung erschien ihr mit einem Mal zu schlicht. Sonst wären die erfahrenen fränkischen Bauleute doch selbst auf das Naheliegende gekommen.
    Sie

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