Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
zurückgewiesen hatte. Die ganze Zeit über hatte er sie weggestoßen, hatte er jeden weggestoßen, doch diese dickköpfigen Bastarde kamen einfach immer wieder.
    Also war Leida nicht menschlich gewesen. Seine Überzeugung, dass alles, was sie getan hatte, innerhalb der Möglichkeiten des Menschseins gelegen hatte, schien jetzt auf wackligen Beinen zu stehen. Aber noch brach sie nicht zusammen. Er hatte in seinem Leben schon zu viel gesehen. Er konnte die menschliche Geschichte nicht plötzlich mit neuem Vertrauen sehen, und es würde auch nicht gleich ein Optimismus sprießen, der all die dämonischen Erinnerungen an die Höllen, die er durchlebt hatte, verjagen konnte.
    Dennoch, es gab eine Zeit, in der einige Verweigerungen ihren Sinn verloren, wenn die unbarmherzigen Schläge, die ihm die Welt versetzte, selbst ihm seine Dummheit offenbarten. Er war - endlich, und nach all den Jahren - unter Freunden. Das war ein schwieriges Eingeständnis, und er spürte, dass es ihn schon wieder ungeduldig machte. »In Ordnung«, knurrte er, »genug gequasselt. Wir haben eine Aufgabe zu erfüllen. Korporal?«
    »Sergeant?«, entgegnete Kalam.
    »Mach dich bereit. Du hast von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, um den Kontakt mit der Assassinen-Gilde wiederherzustellen. In der Zwischenzeit will ich, dass alle anderen sich ihre Waffen vornehmen und sie gründlich reinigen. An ein paar Rüstungen ist sicher noch was auszubessern. Es wird eine Inspektion geben, und wenn ich auch nur eine einzige verdammte Kleinigkeit finde, die mir nicht gefällt, ist hier die Hölle los. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
    »Wir haben es verstanden«, sagte Fäustel grinsend.
     
    Obwohl sie nur langsam ritten, war Colls Wunde ein Dutzend Mal aufgebrochen, seit sie ihre Reise begonnen hatten. Schließlich hatte er eine bestimmte Art entdeckt, im Sattel zu sitzen, indem er sich stark nach einer Seite lehnte und den größten Teil seines Gewichts auf das unverletzte Bein verlagerte, und seit heute Morgen war die Wunde noch nicht wieder aufgebrochen. Doch die unbequeme Haltung sorgte dafür, dass der Rest seines Körpers schmerzte und er unter Krämpfen litt.
    Paran erkannte rasch, wenn jemand schlechter Stimmung war. Obwohl es für beide offensichtlich war, dass ein Band zwischen ihnen entstanden war, das beruhigend und frei von irgendwelchen Ansprüchen war, hatten sie nur wenig miteinander gesprochen, seit Colls Wunde immer mehr ihren Tribut forderte.
    Von der Schwertwunde an der Hüfte bis hinunter zum Fuß war Colls Bein von einem gleichmäßigen, sonnengedunkelten Braun. Die Scharniere seiner Oberschenkelschienen und des Knieschutzes waren voller Klumpen von geronnenem Blut. Als der Oberschenkel anschwoll, waren sie gezwungen, die Lederpolsterung unter der Schiene aufzuschlitzen.
    Von der Garnison an der Catlin-Brücke war ihnen medizinische Hilfe verweigert worden, weil der einzige Feldscher, der dort stationiert war, eine seiner »harten Nächte« ausschlafen musste. Doch sie hatten sauberes Verbandsmaterial bekommen, und diese Binden -die sich bereits wieder mit Blut voll gesogen hatten - bedeckten jetzt die Wunde.
    Obwohl die Stadtmauern bereits in Sicht waren, war auf Jatems Sorge wenig los. Der Strom von Flüchtlingen aus dem Norden war abgeebbt, und jene, die zum Gedderone-Festival kommen wollten, waren schon längst eingetroffen.
    Als sie sich dem Rand von Sorgenstadt näherten, erwachte Coll aus dem halb bewusstlosen Zustand, in dem er die letzten paar Stunden verbracht hatte. Sein Gesicht war totenbleich. »Ist das das Sorgentor?«, fragte er dumpf.
    »Ich glaube schon«, sagte Paran, da die Straße, auf der sie sich befanden, einen passenden, ähnlich merkwürdigen Namen trug. »Wird man uns erlauben hineinzureiten?«, fragte er. »Werden die Wachen einen Arzt holen?«
    Coll schüttelte den Kopf. »Bring mich noch ein Stück weiter. Zu einem Gasthaus. Bring mich zum Phoenix.« Sein Kopf sackte wieder herab.
    »Also gut, Coll.« Es würde ihn überraschen, wenn die Wachen sie einfach so durchlassen würden, ohne dass er ihnen eine Geschichte auftischen musste - und dabei hatte Coll ihm noch nicht verraten, wie er verwundet worden war. »Ich hoffe«, murmelte er, »dass in diesem Phoenix jemand ist, der die Fähigkeiten eines Heilers hat.« Der Mann sah schlecht aus. Paran heftete seinen Blick auf die Stadttore. Er hatte bereits genug gesehen, um zu begreifen, warum die Imperatrix diese Stadt unbedingt haben wollte.

Weitere Kostenlose Bücher