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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Stück Stoff voller Verachtung auf den Fußboden. »Es hat keinen Sinn, Sergeant«, sagte er. »Ich kann Leida nirgends finden.«
    Kalam knurrte einen Fluch und rammte seine Dolche in ihre Scheiden.
    »Und was bedeutet das?«, fragte Elster den Magier. »Vermutlich ist sie tot«, sagte der Schnelle Ben. Er deutete auf den Stoff. »Solange ich das da habe, kann sich das Seil unmöglich vor mir verbergen. Zumindest nicht, solange er Leida beherrscht.«
    »Vielleicht hat er seinen Einsatz drangegeben und das Spiel aufgegeben, nachdem du ihm gesagt hast, dass du rausgekriegt hast, dass er dahintersteckt«, meinte Fiedler.
    Der Schnelle Ben verzog das Gesicht. »Das Seil fürchtet sich nicht vor uns, Fiedler. Komm wieder auf den Teppich. Er wird uns fertig machen wollen, das ist das Einzige, was passieren wird. Schattenthron müsste ihm mittlerweile gesagt haben, wer ich bin, oder besser, wer ich früher gewesen bin. Es geht das Seil eigentlich nichts an, aber Schattenthron wird es sich nicht nehmen lassen, es ihm mitzuteilen. Götter mögen es nicht, wenn sie betrogen werden. Und schon gar nicht, wenn sie zweimal betrogen werden.« Er stand auf und streckte den verspannten Rücken. Dann fing er Elsters Blick auf. »Ich verstehe das nicht, Sergeant. Ich weiß keine Antwort.«
    »Sollen wir sie einfach sich selbst überlassen?«, fragte Elster.
    Der Schnelle Ben nickte. »Wäre 'ne Möglichkeit.« Er machte eine Pause, trat einen Schritt vor. »Wir haben uns alle gewünscht, dass wir uns in ihr geirrt hätten«, sagte er, »aber was Leida getan hat, hatte nichts Menschliches an sich. Und was mich betrifft, muss ich sagen, ich bin froh darüber.«
    »Ich hasse die Vorstellung«, sagte Kalam vom Bett her, »dass das Böse wirklich existiert, mit einem Gesicht, so unscheinbar wie das eines ganz normalen Menschen. Elster, ich weiß, dass du deine Gründe dafür hast, genau das zu wollen.«
    Der Schnelle Ben trat etwas näher an den Sergeanten heran, und sein Blick wurde weicher. »Immer dann, wenn du den Befehl gibst, jemanden zu töten, hilft es dir, nicht den Verstand zu verlieren«, sagte er. »Wir alle wissen das, Sergeant. Und wir wären die Letzten, die auf die Idee kämen, dass es da noch eine andere Möglichkeit geben müsste, über die du möglicherweise noch nicht nachgedacht hast.«
    »Nun, ich bin froh, das zu hören«, knurrte Elster. Er sah seine Männer der Reihe nach an und bemerkte bei dieser Gelegenheit, dass Fäustel wach war und ihn beobachtete. »Hat sonst noch jemand was zu sagen?«
    »Ich«, sagte Fiedler, duckte sich jedoch sofort unter dem finsteren Blick des Sergeanten. »Nun, immerhin hast du gefragt. Stimmt doch, oder?«
    »Dann raus damit.«
    Fiedler richtete sich auf seinem Stuhl auf und räusperte sich. Gerade als er loslegen wollte, stupste Igel ihn in die Rippen. Der Sappeur warf seinem Kameraden einen drohenden Blick zu und setzte noch einmal an. »Es ist doch so, Sergeant. Wir haben verdammt viele unserer Freunde sterben sehen, stimmt's? Und vielleicht denkst du, für uns wäre es einfacher, weil wir die Befehle nicht geben mussten. Aber das glaube ich nicht. Siehst du, diese Menschen haben vor unseren Augen gelebt, geatmet. Sie waren Freunde. Wenn sie sterben, schmerzt das. Aber du läufst herum und erzählst dir selbst, dass die einzige Möglichkeit, darüber nicht wahnsinnig zu werden, darin liegt, ihnen alles Menschliche wegzunehmen, damit du nicht darüber nachdenken musst, damit du nichts spürst, wenn sie sterben. Aber, verdammt noch mal, wenn du ihnen ihre Menschlichkeit nimmst, nimmst du dir auch deine eigene. Und das wird dich ganz sicher in den Wahnsinn treiben. Es ist der Schmerz, den wir fühlen, der uns weitermachen lässt, Sergeant. Möglicherweise führt uns das nirgendwohin, aber zumindest rennen wir auch nicht vor irgendwas weg.«
    Es war still im Zimmer. Dann schlug Igel Fiedler auf den Arm. »Ich will verdammt sein! Du hast ja tatsächlich ein Gehirn da drin! Ich glaube, ich habe mich all die Jahre in dir getäuscht.«
    »Ja, richtig«, sagte Fiedler; er rollte die Augen und sah zu Fäustel hinüber. »Und wer hat sich seine Haare so oft abgesengt, dass er jetzt andauernd so 'ne hässliche Lederkappe tragen muss?«
    Fäustel lachte, doch die Spannung blieb, und alle schauten wieder den Sergeanten an. Langsam musterte Elster jeden einzelnen Mann seiner Truppe. Er sah das Mitgefühl in ihren Augen, das offene Angebot jener Freundschaft, die er so viele Jahre lang

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