Die Gärten des Mondes
hatte es auf die harte Art herausgefunden. »Bin mir nicht sicher«, gab sie zu. Sie beugte sich vor, um die Falltür zu entriegeln. »Ihr beide rührt euch nicht von der Stelle«, befahl sie und starrte Crokus finster an. »Ich werde nicht sehr glücklich sein, wenn ihr irgendwelche Dummheiten macht. Verstanden?«
Der Junge sah niedergeschlagen aus, wie er so mit verschränkten Armen dastand. Er sah zu, wie Mira die Falltür öffnete und die Leiter hinunterstieg.
»Macht hinter mir zu«, sagte sie von unten, »und legt den Riegel vor. Wartet, bis ihr etwas von mir oder Irilta hört. Kapiert?«
»Ja.« Crokus ging zu dem rechteckigen Loch im Fußboden hinüber und starrte auf Mira hinunter. »Wir haben's kapiert«, sagte er, packte die Klappe und schlug sie zu. Dann schob er den Riegel vor.
»Crokus«, fragte Apsalar, »warum hast du eine Wache getötet?«
Dies war das erste Mal, dass sie allein waren, seit sie die Stadt betreten hatten. Crokus blickte weg. »Es war ein Unfall. Ich will nicht darüber reden.« Er ging quer durch den Raum zum hinteren Fenster. »All diese Leute versuchen mich zu beschützen«, sagte er. »Das beunruhigt mich. Es muss um mehr gehen als einfach nur darum, dass ich unter Arrest gestellt werden soll. Beim Atem des Vermummten, um solche Dinge kümmert sich die Diebesgilde, dafür kriegen sie ja auch zehn Prozent von allem, was ich einnehme. Nein, das ergibt alles keinen Sinn, Apsalar. Und außerdem«, fuhr er fort, während er das Fenster entriegelte, »habe ich es satt, dass mir jeder sagt, was ich tun soll.«
Sie trat zu ihm. »Das heißt also, dass wir verschwinden?«
»Verdammt richtig. Es ist schon Abend, deshalb werden wir den Weg über die Dächer nehmen.« Er zog am Fenster, und es schwang nach innen auf.
»Und wohin?«
Crokus grinste. »Ich habe ein großartiges Versteck im Sinn. Niemand wird uns dort finden, noch nicht einmal meine Beschützer. Wenn ich erst mal dort bin, kann ich machen, was ich will.«
Apsalars braune Augen richteten sich auf sein Gesicht. »Was willst du denn tun?«, fragte sie sanft.
Er sah zur Seite, ganz darauf konzentriert, das Fenster abzustützen. »Ich will mit Challice D'Arle reden«, sagte er. »Von Angesicht zu Angesicht.«
»Aber sie hat dich doch verraten, oder?«
»Das spielt keine Rolle. Bleibst du hier?«
»Nein«, sagte sie überrascht. »Ich komme mit dir, Crokus.«
Ihr Körper knisterte förmlich von der Energie ihres Gewirrs. Serrat musterte einmal mehr das Gelände, doch noch immer sah und spürte sie nichts. Sie war sich sicher, dass sie allein war. Die Tiste Andii spannte sich, als das Fenster unter ihr an rostigen Angeln quietschend nach innen aufschwang. Da sie wusste, dass sie unsichtbar war, beugte sie sich nach vorn.
Der Kopf des Jungen schob sich aus dem Fenster. Er spähte in die Gasse unter ihm und musterte die umliegenden Dächer; schließlich schaute er nach oben. Sein Blick ging geradewegs durch Serrat hindurch, und sie lächelte.
Es hatte nicht lange gedauert, ihn wiederzufinden. Wie sie spüren konnte, war seine einzige Begleitung eine junge Frau, deren Aura harmlos, ja, geradezu erstaunlich unschuldig war. Die anderen beiden Frauen hielten sich nicht mehr auf dem Dachboden auf. Hervorragend. Das würde es um einiges einfacher machen. Sie trat von der Traufe zurück, als der Träger der Münze durchs Fenster kletterte.
Einen Augenblick später zog er sich auf das sanft ansteigende Dach.
Serrat entschloss sich, keine Zeit zu verlieren. Noch während der Junge damit beschäftigt war, auf die Beine zu kommen, sprang sie vorwärts.
Ihre Attacke traf auf eine unsichtbare Hand, die mit schmerzhafter Wucht gegen ihre Brust prallte. Die Hand schleuderte sie durch die Luft zurück und verpasste ihr einen solchen letzten Stoß, dass sie über den Rand des Dachs hinausgewirbelt wurde. Ihre Zauber der Unsichtbarkeit und des Fliegens blieben unversehrt, selbst als sie gegen einen gemauerten Schornstein prallte und benommen in der Luft schwebte.
Apsalar erschien am Dachrand. Crokus hockte vor ihr; er hatte seine Dolche in den Händen und blickte misstrauisch in alle Richtungen. »Stimmt was nicht?«, flüsterte sie voller Furcht.
Langsam entspannte sich Crokus und drehte sich zu ihr um; ein reumütiges Grinsen lag auf seinem Gesicht. »Sind nur die Nerven«, sagte er. »Hab gedacht, ich hätte was gesehen, einen Lufthauch gespürt, oder so. Es hat ausgesehen wie ... ach, ist auch nicht so wichtig.« Er sah sich
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