Die galante Entführung
nun mit einem nervösen Hüsteln den Salon. Sie sah bei weitem nicht so adrett aus wie sonst, sondern so, als hätte sie sich eiligst in die Kleider geworfen. »Oh!« rief sie in einstudierter Überraschung aus. »Mr. Calverleigh? Lieber Himmel, ich hatte keine Ahnung, daß Sie in Bath sind! Wie höflich von Ihnen vorzusprechen! An einem so elenden Tag außerdem!«
Abby sprang auf und ging zum Fenster hinüber. Mr. Calverleigh erhob sich gemütlich, verriet keinerlei Zeichen des Unbehagens, sondern drückte Selina die Hand und erkundigte sich auf ruhigste Weise nach ihrer Gesundheit. Er blieb nur noch einige Minuten, und als er sich verabschiedete, tat er es völlig gelassen.
Kaum war die Tür hinter ihm zugefallen, als Selina erregt sagte: »Er hat deine Hand gehalten! O Abby, warum ist er gekommen? Spanne mich nicht auf die Folter! Das ertrage ich nicht!«
»Ich nehme an, du weißt, warum er gekommen ist«, sagte Abby ausdruckslos.
»Ich hab es doch erraten!« stöhnte Selina und preßte eine Hand ans Herz. »Was war deine Antwort? Sag mir’s doch, Abby!«
»Reg dich nicht auf!« sagte Abby müde. »Ich habe seinen Antrag abgelehnt.«
»Oh!« rief Selina, plötzlich strahlend. »Oh, wie froh ich bin! Liebe, liebe Abby, jetzt können wir wieder glücklich sein!«
Da Abby völlig unfähig war, darauf zu antworten, verließ sie wortlos das Zimmer und suchte die Abgeschlossenheit ihres Schlafzimmers auf. Sie blieb ziemlich lange dort, und es wurde ihr daher der Bericht über die Ankunft von Mr. Calverleigh in Bath erspart, den Miss Butterbank, noch immer ein Tuch ums Gesicht gebunden, zum Sydney Place brachte. Selina erwähnte ihn nicht, als sie später Abby die übrigen Neuigkeiten erzählte, die Miss Butterbank ihr zu Ohren gebracht hatte. Diese waren erschreckender und kurioser Art: Mrs. Clapham, von ihrem Gefolge begleitet, hatte Bath am Vorabend verlassen; Mr. Stacy Calverleigh mußte ihr zweifellos gefolgt sein, denn er war eben heute morgen und – laut Miss Butterbank – ohne jemandem ein Wort zu sagen in eine Postkutsche gestiegen.
Abby war erleichtert, daß er Bath verlassen hatte. So sehr sie sich bemühte, auf Selinas Überlegungen über die verschiedenen möglichen Ursachen dieser getrennten Abreise einzugehen, empfand sie doch keine Spur von Interesse. Die nächste Neuigkeit von Bath kam von Mrs. Leavening und interessierte sie desto mehr.
In Orange Grove eingerichtet, hatte Mrs. Leavening im York House um Briefe nachgefragt, die vielleicht noch dorthin geschickt worden waren, und hatte dabei von Mr. Calverleighs Rückkehr erfahren. Sie hatte aber auch erfahren, daß er nur eine einzige Nacht geblieben war, bevor er wieder wie ein Irrlicht verschwand. »Man weiß nie, was er als nächstes tut!« sagte Mrs. Leavening kichernd. »Was, in aller Welt, hat ihn veranlaßt, nur für eine Nacht den ganzen Weg von London herzukommen? Es scheint, daß er sich außerdem seinen eigenen Reisewagen zugelegt hat, aber wohin ihn der entführte, weiß Gott allein. Er steht auf meiner schwarzen Liste, was ich ihm auch sagen werde, denn er hat versprochen, uns zu besuchen, wenn er nach Bath zurückkommt. Nicht einmal einen flüchtigen Blick auf ihn haben wir bekommen! Aber es heißt, er habe vor, zurückzukommen. Also werde ich vermutlich doch Gelegenheit haben, ihn auszuschelten.«
Abby wußte, daß es besser für sie wäre, Mr. Calverleigh nicht wiederzusehen. Sie versuchte sich zu der Hoffnung zu erziehen, daß er nicht am Sydney Place vorsprechen würde, aber es gelang ihr nicht. Ihre Trennung war zu unvermittelt gewesen. Es war so vieles ungesagt geblieben; und ihm wie einem bloßen Bekannten Lebewohl sagen zu müssen, hätte ihr zu weh getan.
Drei unendlich lange Tage hörte man nichts mehr von ihm.
Selina, die wie durch ein Wunder Gesundheit und Laune wiedergewonnen hatte, schrieb James heimlich einen Brief, in dem sie ihn höchst vertraulich informierte, daß zwischen Abby und Mr. Miles Calverleigh alles zu Ende sei. Sie habe von Anfang an gewußt, daß die Angelegenheit von Mrs. Ruscombe gröblichst übertrieben war. Als Nachsatz schrieb sie, sie hoffe, die liebe Cornelia würde in Zukunft nicht mehr so viel auf den boshaften Klatsch dieses Weibes geben. Ihr bestürzter Ausdruck, als Mitton am vierten Tag Mr. Calverleigh meldete, war fast lächerlich. Er erregte Fannys Aufmerksamkeit, und sie blickte schnell zu Abby, als ein plötzlicher Verdacht in ihr aufstieg.
Mr. Calverleigh hatte unter seiner
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