Die galante Entführung
Drache begleiten muß. Obzwar ich geschworen habe, daß ich nie einer werden würde.«
»Das kann ein bißchen langweilig werden. Sind Sie so sicher, daß sie mit meinem gräßlichen Neffen durchzubrennen plant?«
»Nein«, erwiderte sie sofort. »Manchmal sage ich mir, daß ich an einer dummen Nervenüberreizung leide; daß sie, wie sehr sie sich auch einbildet, verliebt zu sein, niemals etwas so Ungehöriges, so Pflichtvergessenes täte. Dann aber denke ich wieder, daß er sie so stark in seinen Bann geschlagen hat, daß sie tun wird, was immer er wünscht. Seit kurzem ist sie allerdings niedergeschlagen, bekümmert, vermute ich. Möglich, daß sie es nicht über sich bringen kann, etwas zu tun, von dem sie weiß, daß es sehr unrecht ist. Ich habe ja gehofft, daß sie mit Stacy Streit hätte, aber das stimmt nicht.« Sie seufzte. »Er war gestern abend im Konzert, und sie sah ihn an, als sei er ihre einzige Stütze und Wonne.«
»Nein, wirklich? Ich beneide ihn. Nicht daß ich natürlich den geringsten Wunsch hätte, von Fanny einen solchen Blick zu bekommen, aber ich wünschte, von Ihnen.«
Sie spürte plötzlich, daß sich ihr Herz, im allgemeinen ein sehr verläßliches Organ, in höchst erschreckender Weise benahm, zuerst versuchte, ihr in die Kehle zu fahren, und dann so heftig zu schlagen begann, daß ihr der Atem wegblieb und unbehagliche Hitze in ihr hochstieg. Sie konnte nur mit Anstrengung sprechen, aber es gelang ihr, und sie sagte: »Mr. Calverleigh – ich bin nicht in der Stimmung – zum Flirten!«
»Also bitte sehr, wann habe ich je versucht, mit Ihnen zu flirten?« protestierte er.
Sie fühlte sich gezwungen, ihn verstohlen anzusehen. Das war, wie sie sofort erkannte, sehr unvorsichtig, denn er lächelte sie an, und zwar so, daß es ihr Herz noch viel heftiger schlagen ließ.
»Ich liebe Sie nämlich«, sagte er im Plauderton. »Wollen Sie mich heiraten?«
Die Art, in der er ihr diesen unvermittelten Heiratsantrag machte, kam ihr so typisch für ihn vor, daß sie wider Willen etwas zittrig lachen mußte. »Welch ungehobelte Art, mir einen Heiratsantrag zu machen! Nein, nein, das ist nicht Ihr Ernst! Das können Sie nicht im Ernst meinen!«
»Aber natürlich ist es mein Ernst. In einer schönen Patsche säße ich, wenn es mir damit nicht ernst wäre und Sie würden meinen Antrag annehmen! Die Geschichte ist nur die: es ist so verteufelt lang her, seit ich einem Mädchen einen Heiratsantrag machte, daß ich vergessen habe, wie man es anfängt. Falls ich es je gewußt habe, was ich bezweifle, denn ich war mit blumigen Redensarten immer ungeschickt.« Er lächelte sie wieder, etwas kläglich, an. » Daß ich denn einen hellen, ganz besonderen Stern so lieben sollte! «
»Oh –!« brachte sie mühsam heraus. »O bitte, sagen Sie so etwas nicht!«
»Werde ich nicht, wenn es Ihnen mißfällt«, sagte er zuvorkommend.
»Mißfallen! Wie könnte es je einer Frau mißfallen, wenn ihr so etwas gesagt wird? Aber es geht nicht! Sie dürfen nichts mehr darüber sagen. Bitte, bitte, nicht!«
»Nein, das ist ganz unvernünftig«, sagte er. »Ich werde Ihnen keine Komplimente mehr machen, aber Sie können nicht von mir erwarten, daß ich nichts mehr darüber sage! Ich habe Sie gebeten, mich zu heiraten, Abigail!«
»Sie müssen doch wissen, daß ich nicht kann – wie unmöglich das wäre!«
»Nein, das weiß ich nicht. Warum soll es unmöglich sein?«
»Die – die Umstände!« brachte sie mit erstickter Stimme hervor.
Er sah ziemlich verblüfft drein. »Was für Umstände? Die meinen? Oh, ich bin durchaus imstande, eine Frau zu erhalten. Sie müssen auf meinen gräßlichen Neffen gehört haben!«
»So etwas tue ich nicht!« sagte sie sehr empört. »Und wenn, dann hätte ich ihm kein einziges Wort geglaubt. Und außerdem würden Überlegungen dieser Art bei mir nicht ins Gewicht fallen, wenn – wenn ich Ihre Zuneigung erwiderte.«
»Tun Sie das nicht? Überhaupt nicht?«
»Ich… Nein! Ich meine – ich meine, das ist es nicht!«
»Also wenn es das nicht ist – guter Gott, Sie wollen mir doch nicht erzählen, der Grund sei der, daß ich vor zwanzig Jahren wegen Celia Morval einen Narren aus mir gemacht habe? Nein wirklich, mein süßes Leben, das ist denn doch zu dick aufgetragen. Was hat denn das mit Ihnen zu tun? Sie müssen damals noch im Kinderzimmer gesteckt haben!«
»Ja, aber… Oh, Sie können doch sicher begreifen, wie unmöglich es für mich wäre, Sie zu heiraten? Sie war die
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