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Die galante Entführung

Die galante Entführung

Titel: Die galante Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
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Gedanken nicht eingehend damit beschäftigt haben.«
    »Sehr richtig! Zufällig hat sich bei mir nie die Notwendigkeit dazu ergeben.«
    »Oh, das merke ich! Ich wäre nicht überrascht, wenn Sie sich vorstellen, daß bei der Sache eine Strickleiter verwendet werden müßte.«
    »Und mich würde es aber schon sehr überraschen, daß sie doch verwendet werden muß. Ich konnte nämlich nie begreifen, wieso überhaupt jemand mit Hilfe einer Strickleiter flüchten kann, besonders ein Frauenzimmer. Es ist ja ganz schön, davon zu reden, daß man sie zum Fenster hinaufwirft, aber vermutlich könnte man sie nicht auffangen, oder man fiele bei dem Versuch aus dem Fenster. Und falls man sie doch auffangen kann, wie befestigt man sie?«
    »Kann ich mir nicht vorstellen.«
    »Nein, und selbst wenn sie dann doch befestigt wäre, schwant mir sehr, daß es gar nicht leicht ist, eine Strickleiter hinunterzuklettern. Glauben Sie mir, dazu braucht man sehr viel Übung.«
    »Und außerdem werdet ihr von euren Unterröcken behindert«, sagte er nachdenklich. »Ich sehe, daß Sie ja doch über das Problem nachgedacht haben: erzählen Sie mir bitte alles darüber!«
    Sie lachte. »Nein. Ich lasse mich nicht von Ihnen ablenken. Das ist kein Thema zum Scherzen. Ich weiß, daß Sie es für sehr langweilig halten, aber – «
    »Nun, Sie nicht?«
    »Wie könnte ich? Ich halte es für ärgerlich – ja, ich könnte Fanny ohrfeigen, weil sie so eine dumme Gans ist! –, aber etwas, das eine Person betrifft, an der man sehr hängt und für die man verantwortlich ist, kann einen doch nicht langweilen!«
    »Da ich mich selbst nie in einer solchen Lage befand, kann ich das nicht beurteilen.«
    Sie sagte mit schnell erwachtem Mitgefühl: »Das weiß ich, und Sie tun mir leid! Sie haben mir einmal erzählt – Sie sagten, Sie seien kein geeignetes Objekt für Mitleid, aber Sie sind es doch, Mr. Calverleigh!«
    »Ja, zu diesem Schluß bin ich selbst gekommen«, sagte er unerwarteterweise. »Ich pflegte nicht so zu denken, aber seit ich nach Bath gekommen bin, werde ich immer überzeugter, daß ich mich geirrt habe.«
    Überrascht und mit dem starken Gefühl, als hätte sie einen elektrischen Schlag erhalten, hielt Abby den Atem an. Nach einer kurzen, aber merklichen Pause sagte sie, soviel Haltung, wie sie nur aufbringen konnte, zu Hilfe rufend: »Sie mögen vielleicht, wie ich vermute, den Mangel an Familienbanden nicht empfunden haben, solange Sie im Ausland waren. Aber wir sprachen von Fanny, und Sie wollten mir gerade erklären, warum ich keine Angst haben müsse, daß sie nachts davonläuft, als wir in eine alberne Abschweifung über das Thema Strickleitern gerieten. Ich wäre sehr froh, wenn ich Ihnen glauben dürfte, aber – aber warum?«
    »Oh, es wäre viel zu gefährlich! Das arme Mädchen müßte aufstehen und, sollte noch ein anderes Mitglied des Haushalts wachliegen und Licht unter seiner Tür bemerken können, im Finstern in seine Kleider krabbeln. Danach muß es sich zwei Treppen hinuntertasten, und wenn das Knarren niemanden geweckt hat, dann würde es das eine herannahende Kutsche auf dem Kopfsteinpflaster um diese Nachtstunde bestimmt tun. Dann muß es auch die Riegel an der Eingangstür zurückschieben, die Kette abnehmen und schließlich, als Schwierigstes, das Tor hinter sich schließen – alles geräuschlos. Natürlich könnte es das Haus offen für jeden zufällig daherkommenden Plünderer hinterlassen. Aber ich bin überzeugt, Sie werden mir sagen, daß Fanny nicht für alles Gefühl verloren sei, das sie Ihnen schuldet, und so etwas nicht täte!«
    »Ja«, sagte Abby, welche die Stichhaltigkeit dieser Einwände einsah. »Und ihr Zimmer liegt an der Hinterseite des Hauses, also könnte sie nicht wissen, ob Ihr gräßlicher Neffe zu seiner Verabredung pünktlich kommt. Etwas könnte ihn ja plötzlich aufhalten, und man denke nur, wie peinlich das für sie wäre! Sie müßte diese Möglichkeit in Betracht ziehen. Das täte jeder Mensch. Weiter schläft die Grimston – unser altes Kindermädchen – in einem kleinen Zimmer neben dem ihren, und wenn ich auch glaube, daß höchstens ein Trompetenstoß direkt in ihr Ohr sie wecken könnte, so können Sie sich darauf verlassen, daß Fanny von Kopf bis Fuß zittern würde. Oh, ich glaube, Sie haben wirklich recht! Bei Nacht wird sie den Versuch nicht unternehmen. Und ich werde gut aufpassen, daß sie dazu tagsüber keine Gelegenheit hat, selbst wenn ich sie überallhin wie ein

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