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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Treppenhaus scholl ein Knacken.
    »Was war das?«, fragte der Einbrecher.
    »Ich habe nichts gehört«, log Demis und hoffte, Armand würde ihn hören. Aber anscheinend spielte der junge Kollege nur mit seinem Funkgerät. Das Geräusch schlurfender Schritte näherte sich.
    »Da kommt doch jemand«, zischte der Einbrecher. »Sie haben Verstärkung angefordert.«
    »Nein!«, beteuerte der Nachtwächter. Er glaubte in den violetten Augen des anderen den Wahnsinn funkeln zu sehen. Demis hatte nie eine Ausbildung in Selbstverteidigung genossen. Sein Gegenangriff war nichts als Überlebensinstinkt.
    Mit einem Ruck stieß er die Rechte des Gegners von seinen Rippen weg, leider nicht heftig genug, um ihn gleich zu entwaffnen. Verblüfft erkannte Demis, dass der Gauner ihn nicht mit einer Pistole in Schach gehalten hatte, sondern… mit dem Stiel eines Handspiegels?
    Beide starrten einen Atemzug lang auf den ausgestreckten Arm mit dem nicht gerade üblichen Einbrecherutensil. Dann packte den Museumswärter die Wut. Ausgerechnet er, der erfahrenste Nachtwächter des Louvre, hatte sich von diesem frechen Burschen zum Narren halten lassen. So konfus, wie der Heißsporn war, musste er noch grün hinter den Ohren sein. Demis wollte wissen, wer ihn gefoppt hatte, wollte in das Gesicht dieses Bengels sehen. Ehe sein Gegenüber zur Besinnung kommen konnte, riss er ihm die Skimaske vom Kopf. Die schwarze Gestalt taumelte zwei Schritte zurück, und Demis erstarrte.
    Der Einbrecher war eine Blondine, eine kühle Schönheit, in deren Gesicht sich jedoch wenig Liebreiz spiegelte. Ihre Züge waren irr verzerrt. Mehr noch als der Umstand, eine Frau vor sich zu haben, erschreckte den Nachtwächter allerdings ein anderes Phänomen: Die Haut der Diebin leuchtete in einem fluoreszierenden Grün!
    Sie vergrub ihre Rechte samt Spiegel in der aufgesetzten Tasche am Hosenbein, was Demis als Zeichen der Kapitulation deutete. Er legte den Kopf zur Seite und rief über die Schulter: »Armand, komm schnell! Der alte Donatien hat einen Dieb gestellt und könnte deine Hilfe gebrauchen.«
    Als die Hand der Blondine wieder aus der Tasche kam, wurde Demis klar, dass er die Situation verkannt hatte. Eine rote Leuchtdiode strahlte zwischen den Fingern hindurch. Die Diebin verzog den Mund zu einem Lächeln, aber ihre violetten Augen blieben ernst.
    Ehe Armand unter den Karyatiden erschien, war sie mit zwei schnellen Schritten bei der niedrigen Metallabsperrung, die den Schlafenden Hermaphroditen umgab, ein weiterer brachte sie darüber hinweg. Und dann verwirrte sie den Nachtwächter noch einmal. Sie schwang sich auf die Bernini-Matratze und schmiegte sich – fast wie eine Liebende – von hinten an die nackte Sagenfigur.
    Das Letzte, was Donatien Demis in seinem Leben sah, war der Blitz einer gewaltigen Detonation.
     
     
    LONDON (ENGLAND),
    Montag, 17. September, 8.4.8 Uhr
     
    Wenn Millionen rote Ziegelsteine mit einer kühnen Konstruktion aus Stahl und Glas in den Dialog traten, dann konnte einen das nicht kalt lassen. Gerade dieser Kontrast zwischen der sechzig Jahre alten Industriearchitektur und der neuzeitlichen Umgestaltung verlieh der T a te Modern ihre Faszination. Das ehemalige Elektrizitätswerk am Ufer der Themse war Heimstatt einer der bedeutendsten Sammlungen moderner Kunst, und das galt nicht nur für Großbritannien, sondern weltweit. Der viereckige gemauerte Schlot verlieh dem wuchtigen Backsteinbau etwas Monumentales, das sich drinnen in der fünfhundert Fuß langen, Schwindel erregend hohen Turbinenhalle fortsetzte. Peter Blueberry konnte sich keinen besseren Ort für seine Kollektion vorstellen.
    Der Kustos des Museums war in mancherlei Beziehung mindestens so exzentrisch wie viele der ausgestellten Plastiken und Gemälde. Seinem gezwirbelten Schnurrbart verdankte er den Spitznamen B. D. was für British Dali stand. Selbstverständlich umfasste die Sammlung des Museums auch Werke des spanischen Künstlers Salvador Dali. Zu Blueberrys sonderlichem Gehabe passte die Eigenheit, vom »Krematorium« zu sprechen, wenn er die Tate Modern meinte – eine Anspielung auf den neunundneunzig Meter hohen Schornstein und die darunter befindliche überproportionale Anhäufung toter Meister.
    Jeden Morgen, noch bevor um zehn die Besucher in die Galerie strömten, machte B. D. seine Runde durch die Ausstellungsräume. So hielt er es schon seit sechs Jahren. Immer noch verspürte er ein erregendes Prickeln, wenn er sich im Level 3 den Inner Worlds

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