Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
selbstgefällige Ausdruck auf seinem Gesicht verriet Yosef fast mehr als ihm lieb war. Und langsam keimten in ihm Zweifel, ob er Horeb je wieder würde verlassen können.
»Vor etwa einer Woche«, erwiderte Tahn.
Triumph blitzte in den Augen des Ratsherrn auf, und Yosefs Befürchtungen wichen einem plötzlich aufwallenden Haß.
»Was wollten Sie auf Kayan?«
Yosef rückte die Brille zurecht und antwortete in traurigem Tonfall: »Wir sind dort hingeflogen, um an der Beerdigung meiner Nichte teilzunehmen. Doch Ihre Leute haben den Notstand ausgerufen, und Mr. Funk und ich durften das Schiff gar nicht erst verlassen.«
»Wo ist Jeremiel Baruch?«
»Wer?« fragte Ari.
»Tun Sie nicht so unschuldig. Wir haben seine Fingerabdrücke überall an Bord der Seros entdeckt. Wir wissen, daß er bei Ihnen war, als Sie Kayan verlassen haben.«
»Mag sein, aber andererseits seid ihr Jungs in Purpur ja nicht gerade für eure Intelligenz bekannt«, bemerkte Ari. »Vielleicht war er ja auch im Schiff, bevor wir an Bord gegangen sind. Wie sieht er denn aus? Vielleicht sind wir ihm begegnet…«
»Alter Mann«, sagte Tahn, stemmte die Hände in die Hüften und beugte sich vor, um Ari direkt in die Augen zu sehen, »ist Ihnen klar, daß ich Sie am höchsten Baum aufknüpfen lassen könnte?«
»Nun aber mal langsam, Captain«, meinte Ornias mißbilligend. »Für die Magistraten mag er ja unter Verdacht stehen, aber er ist ein Gamant auf einem gamantischen Planeten. Sie besitzen keinerlei Autorität, hier eine Untersuchung durchzuführen, es sei denn, wir gestatten es Ihnen.«
»Wenn meine Untersuchung beendet ist, könnte ich in Erwägung ziehen, den ganzen Planeten unter ein Interdikt zu stellen, Ratsherr.«
»Ach, wirklich? Nun, hoffen wir, daß es nicht so weit kommt.«
Dunkelblaue Funken blitzten in Tahns violetten Augen, als sich sein Blick in den Ornias’ bohrte. Er richtete sich langsam auf und fragte: »Sie kennen die Strafen, die darauf stehen, einem von der Regierung gesuchten Kriminellen Unterschlupf zu gewähren?«
»Wir gewähren niemandem Unterschlupf, Captain. Bitte beeilen Sie sich, und beenden Sie das Verhör dieser Gläubigen. Ich bin sicher, sie sehnen sich schon ungeduldig nach dem Taufwasser in der Halle der Proselyten.«
Der Captain wandte sich wieder Ari zu, der noch immer geduldig Fusseln von seiner Hose zupfte, sie zusammenrollte und auf den Teppich fallen ließ. Inzwischen umgab ihn schon ein blauer Halbmond.
»Funk, nach Ihrer Landung zu urteilen ist es vollkommen ausgeschlossen, daß Sie den Lichtsprung der Seros von Kayan hierher selbst durchgeführt haben.« Tahn hielt inne, um Ari scharf ins Auge zu fassen, doch als der alte Mann nur milde zwinkerte, fuhr er fort: »Seien Sie ehrlich. Warum wollte Baruch nach Horeb kommen?«
Yosef hielt den Atem an und warf seinem Freund einen Seitenblick zu. Ari wollte doch nicht gar einen Streit vom Zaun brechen? Etwa, indem er behauptete, er hätte das Schiff doch geflogen? Das sähe ihm zwar ähnlich, würde sie aber nur noch mehr in Verlegenheit bringen. Andererseits fragte er sich, ob Ari überhaupt etwas sagen konnte, was Tahns Argwohn nicht noch weiter nährte. Lieber Himmel, es sah ganz so aus, als würden sie trotz der Einwände des Ratsherrn letztlich bei den Magistraten landen.
»Warum wollte Baruch nach Horeb kommen?«
Ari legte den Kopf schief und betrachtete mehrere Sekunden lang nachdenklich die gegenüberliegende Wand, bevor er antwortete. »Das ist eine gute Frage. Doch ich fürchte, Sie stellen sie dem falschen Mann. Yosef versteht sich viel besser auf Ratespiele als ich. Yosef …?«
Gereizt rief der Captain: »Ist Baruch gekommen, um gamantische Rekruten für seine Streitkräfte anzuwerben?«
Ari klopfte Yosef auf die Schulter. »Nun, Calas, was glaubst du? Antworte dem Captain!«
»Hören Sie auf, alter Mann!« Tahn beugte sich vor, um genau in Aris graue Augen zu schauen. »Ganz gleich, was der Ratsherr sagt, wenn ich herausfinde, daß Sie mit Baruch und seiner Mörderbande unter einer Decke stecken, sperre ich Sie für tausend Jahre ein.«
Ari lachte herablassend. »Haben Sie neue medizinische Techniken entwickelt, von denen wir noch nichts wissen? Vielleicht wären die es ja wert, daß wir uns ergeben.«
Yosef schloß die Augen, als er sah, wie sich die Nasenflügel des Captains weiteten. Ihnen blieben vielleicht noch zwanzig Jahre. Und wenn man sie mit der Bewußtseinssonde behandelte, würden sie diese paar Jahre wohl kaum
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