Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
werden und ihn an Sie auszuliefern.«
Tahns blauviolette Augen verengten sich. »Aha. Nun, ich würde gern mit dem Mashiah über die Suche sprechen, wenn Sie nichts dagegen haben. Er ist doch auf Horeb die höchste Instanz, nicht wahr?«
»Ja, natürlich. Aber er wird Ihnen das gleiche …«
»Ich würde es begrüßen, ihn das selbst zu fragen.«
Ornias betrachtete den Captain für einen Moment; dann lächelte er höflich und ging zu einem Messinggong, der neben der Doppeltür hing. Er schlug ihn sanft an und wartete, bis eine schöne schwarzhäutige Dienerin in einem fliederfarbenen Faillegewand erschien. Er streichelte ihr zärtlich die Wange und säuselte: »Shassy, Liebes, schaust du bitte nach, ob der Mashiah einen Augenblick seiner Zeit für uns erübrigen kann? Captain Tahn vom magistratischen Schiff Hoyer würde gern mit ihm sprechen.«
Sie wich vor seiner Hand zurück, doch die Bewegung war so subtil, daß Yosef bezweifelte, irgend jemand außer ihm könnte sie bemerkt haben. Sie musterte den Captain mit hochgezogenen Brauen, als wäre er der Diener – und zwar einer, der eine außerordentlich langsame und schmerzhafte Hinrichtung verdiene. Yosef runzelte die Stirn. Ihr Verhalten war das einer Königin in Gefangenschaft. Mit Sicherheit betrachtete sie sich nicht als gewöhnliche Arbeitskraft im Haus des Mashiah. Wer war sie? Und warum erduldete sie ihre Rolle als Hure des Ratsherrn?
»Ich werde nachsehen, ob Adom Zeit hat«, erklärte sie, wandte sich um und verließ das Zimmer.
Ari beugte sich vor und meinte mit großen Augen. »Er ist unser neuer Erlöser, müssen Sie wissen. Er wird uns befreien und euch häßliche Magistratenschranzen allesamt töten.«
Ornias krümmte sich ein wenig zusammen und schielte zu Tahn hinüber. Der Captain hatte die Lippen fest zusammengepreßt und stieß ein ärgerliches Schnauben aus. »Ich bin mir Ihrer sonderbaren religiösen Vorstellungen durchaus bewußt, Mr. Funk.«
Ein paar Minuten später erklangen draußen auf dem Korridor leise Schritte. Dann stürmte ein junger Mann mit langem blondem Haar und großen blauen Augen in den Raum und blieb abrupt stehen, als er Tahns purpurne Uniform bemerkte. Atemlos starrte er den Captain an. Yosef runzelte die Stirn. Von seiner in königlichem Scharlach gehaltenen Robe einmal abgesehen, schien der berühmte Mashiah nichts anderes zu sein als ein schmächtiger, relativ gut aussehender Junge.
»Captain Cole Tahn«, stellte Ornias vor, »das ist Adom Kemar Tartarus.« Schützend trat er näher an den Mashiah heran.
Tahn streckte eine Hand aus, ließ sie dann aber unbehaglich wieder sinken, als Tartarus mit den Fingern das heilige gamantische Dreieck bildete.
»Möge der Segen Milcoms mit Ihnen sein, Captain«, grüßte der Mashiah mit einer überraschend angenehmen Stimme. Sie klang leise und unschuldig wie die eines Kindes.
Yosef schaute zu Ari hinüber und sah, wie der Freund die buschigen Augenbrauen neugierig zusammenzog. Das war der Mann, der Jeremiel so beunruhigte? Tartarus sah aus, als würde er zusammenbrechen, wenn jemand auch nur »Buh!« riefe. Doch die äußere Erscheinung mochte täuschen. Vielleicht spielte der Junge dem Captain auch nur die Rolle der naiven Unschuld vor.
»Mashiah«, erklärte Tahn mit fester Stimme, »wir haben den Verdacht, das diese beiden Männer«, er deutete auf Ari und Yosef, »in Begleitung von Jeremiel Baruch hierher gekommen sind. Ich bin sicher, Ihnen ist geläufig, daß Baruch …«
»Jeremiel Baruch?« fragte Adom neugierig und warf den Kopf zurück, so daß sein blondes Haar im Sonnenlicht hell aufschimmerte. »Wer ist das?«
Ornias legte ihm eine Hand auf die Schulter und sagte leise: »Ein Rebell.«
»Ein Rebell?«
Tahn nickte. »Ein gamantischer Rebell. Er kreuzt durch die Galaxis und sät Zwietracht. Ich habe einen Haftbefehl gegen ihn.«
»Der Captain möchte eine gründliche Suchaktion nach Baruch durchführen«, ergänzte Ornias. »Ich habe ihn darüber aufgeklärt, daß die Gesetze auf Horeb den Einsatz fremder Truppen untersagen und …«
»Aber woher wissen wir denn, daß er sich hier aufhält?« unterbrach Adom ihn sanft.
»Wir wissen es«, stellte Tahn erschöpft fest. »Das Schiff, mit dem Funk und Calas landeten, stinkt noch nach ihm.«
»Äh … Funk und Calas sind nicht gelandet, sondern abgestürzt«, verdeutlichte Ornias. »Sie haben unser Lebensmittellager demoliert, Adom. Ich befand mich gerade mit den planetaren Marines dort, um Nahrung an die
Weitere Kostenlose Bücher