Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun
ausgelaugt, um zu antworten. Kurz darauf schienen Lichter in seinem Schädel aufzublitzen. Eine Gehirnsonde! Ein Gefühl, als würden sich glühende Drähte direkt in seine Gedanken bohren. Seine Kehle war wund vom Schreien, und nur ein tiefes Stöhnen drang noch über seine Lippen. Weshalb folterten sie ihn, wenn sie doch Gehirnsonden besaßen? Weshalb? Ein Gesicht tauchte vor ihm auf – ein glutäugiger Dämon mit verzerrten Zügen. Grinsend, die Zähne entblößt, beugte es sich über ihn. Dann kehrte der Schmerz zurück. Und jemand stellte eine andere Frage …
Im Lauf der Zeit lernte er, wie er sich ihnen entziehen konnte. Er tauchte tief in seinen Geist hinab, ergriff seine Seele und verpflanzte sie in die steinernen Türme von Notre Dame. Dort, zwischen den kalten, harten Steinen, konnten die Sonden ihn nicht mehr erreichen. Verlaß dich selbst. Laß deinen Körper im Käfig zurück und geh einfach fort …
Und genau das tat er. Es kam ihm so vor, als wäre er eine Ewigkeit fort. Und schließlich – Jahre später, wie ihm schien – erwachte er und starrte zum Dach der Kathedrale empor. Licht strömte durch die geborstenen Fenster herein und warf bizarre Schatten über seinen Käfig. Wie lange war er gefangen gewesen? Einen Monat? Zwei? Zehn? Irgendwann in dieser Zeit hatte er aufgehört, ein Mensch zu sein. Alles, was man ihm über menschliches Verhalten beigebracht hatte, schien wie fortgewischt. Er war nur noch ein blutiges Stück Fleisch, hilflos den Launen seines Folterers ausgeliefert.
»Maggie?« rief er heiser. »Maggie … alles in Ordnung?«
Mühselig rollte er seinen geschundenen Körper herum, um einen Blick in ihren Käfig zu werfen.
Und in diesem Moment erstarben all seine Träume und Hoffnungen. Ihr mißhandelter Körper lag steif und reglos da. Mit letzter Kraft hatte sie ihren Arm ausgestreckt, um ihn zu erreichen.
Und er war nicht dagewesen.
Tahn rollte sich wieder auf den Rücken und starrte blicklos zum Dach empor. Stundenlang lag er so da. Oder waren es Tage?
Dann hörte er Schritte im Gras.
Der Dämon war zurückgekehrt.
Er kauerte sich neben den Käfig und grinste ihn an. Tahn rappelte sich auf und wich vor dem Wesen zurück. »Was bist du?« fragte er ungläubig. »Eine Kreatur der Pegasianer?«
Die roten Augen des Dämons glühten wie Kohlestücke. »Pegasianer? Nein.« Er lachte laut auf. »Ich bin Nabrat. Naar hat mich geschickt, um dich auf Moriah vorzubereiten.«
»Wer ist Naar? Und was ist Moriah?«
Der Dämon grinste nur, kroch in den Käfig und griff nach Tahn. Er wehrte sich, doch die Bestie ließ sich nicht abschütteln. Sie rangen miteinander und versuchten, sich gegenseitig in Stücke zu reißen. Und trotz ihres Stöhnens und ihrer Schreie konnte Tahn hören, wie trockene Äste im Herbstwind knackten, von Frost überzogen und schließlich vom Schnee bedeckt wurden – und noch immer kämpfte der Dämon mit ihm.
Manchmal … manchmal saßen sie einander einfach nur gegenüber und starrten sich stundenlang an. In diesen Momenten schienen die roten Augen des Wesens stärker zu glühen als sonst. Und ohne Vorwarnung stürzte es sich wieder auf ihn, und sie kämpften Tage und Wochen ohne Ende. Schmerz … soviel Schmerz …
Wieder wirbelten die Bilder um ihn herum, kamen näher und verschwanden wieder … er hörte Maggies Stimme … versuchte, ihre Hand zu ergreifen …
Seine Arme schlugen wild umher und trafen die Wasserkaraffe auf seinem Nachttisch. Ein Teil des Wassers spritzte auf sein Gesicht und weckte ihn halb auf. Er schüttelte den Alptraum ab. Die Schmerzen in seinem Kopf waren fast unerträglich.
»Du … bist auf der … Hoyer.«
Mit blutunterlaufenen Augen und halbgeschlossenen Lidern versuchte er, irgendwelche Einzelheiten in seiner Kabine wahrzunehmen. Doch er vermochte lediglich einen einzigen Gegenstand zu fixieren – einen Glaskasten, der an der Wand am Fußende seines Betts befestigt war. Er enthielt Orden und Auszeichnungen, die ihm wegen besonderer Tapferkeit verliehen worden waren.
Ein galliger Geschmack stieg in seiner Kehle hoch, als die Erinnerung an den Hangar und Baruch zurückkehrte. Tahn hob den Arm und bedeckte die Augen, um den Anblick der Orden auszusperren. Inzwischen mußte seine Mannschaft langsam durchdrehen. Sie würden ihm den Verlust des Schiffes ankreiden und sich fragen, ob er der richtige Mann war, um sie weiterhin zu führen. Ich muß etwas unternehmen. Sie brauchen mich. Er versuchte sich auf den Ellbogen zu
Weitere Kostenlose Bücher