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Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun

Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun

Titel: Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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sind ihres Erbes nicht wert. Die Wahrheit ist wie ein großer, schwerer Stein. Diese armseligen Kreaturen sind zu schwach, um sich diese Last aufzubürden. Sie können sie nicht tragen, und deshalb müssen du und ich das für sie übernehmen.«
    »Bah!« machte Jasper. »Wer diese Last nicht selbst tragen kann, verdient es auch nicht, an ihrem Segen teilzuhaben!«
    »Ich bin froh, daß unsere Vorväter nicht so gedacht haben wie du. Hätten sie all jene ausgestoßen, die einmal gestrauchelt sind, säße heute keiner von uns hier.«
    »Hör auf zu predigen, du alter Betbruder.« Jasper schüttelte drohend die Faust.
    »Nun reg dich wieder ab, Jacoby. Hat der Doktor dir nicht gesagt, du dürftest dich nicht aufregen? Was macht dein Herz? Hast du noch Schmerzen? Vielleicht solltest du doch mal eine von den grünen Pillen nehmen, die sie dir immer geben.«
    Jasper öffnete schon den Mund zu einer giftigen Erwiderung, hielt jedoch plötzlich inne. Der junge Assimilierte bedachte sie ganz offen mit finsteren Blicken. Als Antwort klopfte Jasper demonstrativ auf den silbernen Orden an seiner Brust und schaute ebenso finster zurück.
    Losacko seufzte tief, schenkte den beiden ein paar verdrossene Seitenblicke und erhob sich schließlich. »Tja, Jacoby, war nett, dich mal wiederzusehen. Komm doch nächste Woche wieder vorbei, dann können noch ein bißchen schwatzen.«
    Er betrachtete Jasper mit einem letzten, besorgten Blick, und humpelte dann in Richtung der belebten Straße davon. An der Kreuzung staute sich der Verkehr, und die Fahrer ließen ungeduldig ihre Hupen erklingen. Jasper sah Chaim hinterher und wandte dann seine Aufmerksamkeit den beiden Pendelbussen zu, die auf der Kreuzung feststeckten. An einem der Fahrzeuge leuchtete ein Hologramm in roten und grünen Farben. Eine ältliche gamantische Frau mit strähnigem Haar und stechenden Augen war darauf abgebildet. In ihrer Hand hielt sie das geheiligte Dreieck des Glaubens und nuckelte daran, als wäre es eine Babyflasche.
    Jasper warf dem Assimilierten abermals einen finsteren Blick zu.
     
    Mikael erwachte um sich schlagend aus einem schrecklichen Traum. Menschen hatten darin schreiend versucht, vor etwas wegzulaufen – doch er wußte nicht, was dieses Etwas gewesen war. Mikael selbst hatte sich zwischen zwei hohen Felsspitzen versteckt, die von den Menschen in seinem Traum die Hörner des Kalbes genannt worden waren. Außerdem war er in diesem Traum sehr viel älter als jetzt, bestimmt schon zwanzig oder so, und bei ihm war eine schöne Frau gewesen. Sie hatte langes, lockiges braunes Haar und braune Augen gehabt. Schiffe waren wie Raubvögel aus dem gelben Himmel herabgestoßen und hatten auf die Menschen gefeuert.
    Mikael hob die Hand, um sich das schwarze Haar aus den Augen zu streichen. Überall im Zimmer glitzerten winzige blaue und weiße Lichter. Der Junge blinzelte träge. Das war merkwürdig. Er konnte fast hören, wie sie zu ihm sprachen, doch ihre Stimmen waren zu hoch und zu leise, um einzelne Worte zu verstehen.
    »Was?« fragte er schläfrig. »Was habt ihr gesagt? Ich kann euch nicht verstehen? Geht es um den Traum?«
    Die Lichter strahlten heller, zerplatzten wie ein Feuerwerk – und verschwanden. Die Dunkelheit senkte sich wieder auf das Zimmer herab. Mikael mußte unwillkürlich an die silberne Decke denken, die man über den Toten ausbreitete, bevor man sie beerdigte. Eine Weile betrachtete er die Schatten, die sich in den Ecken des Raums zusammendrängten.
    Mikael fühlte sich furchtbar müde. War es möglich, daß die Spritze, die man ihm gegeben hatte, nicht wirkte? Er wälzte sich auf die Seite, und bei dieser Bewegung glitt das Mea Shearim, das der Engel Metatron ihm gegeben hatte, aus seiner braunen Robe und blieb wie eine blaue Murmel auf dem Kopfkissen liegen. Sein Volk bezeichnete diese Gegenstände als heiliges Tor zu Gott, und sein Großvater hatte dieses hier jahrhundertelang getragen. In Mikaels Geist tauchte das runzlige Gesicht des Großvaters auf und lächelte ihn an. Er konnte sich undeutlich daran erinnern, daß sein Großvater zu ihm gesprochen hatte, direkt nachdem Captain Tahn und dieser böse Doktor gegangen waren. Was hatte Großvater gesagt? Es ging darum, daß ein Mann namens Jeremiel Baruch an Bord kommen würde. Und er sollte Mr. Baruch irgend etwas mitteilen … aber er wußte nicht mehr genau, was es gewesen war. Er streckte einen Finger aus und berührte zuerst die goldene Kette des Mea, und dann die Kugel selbst.

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