Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun
den Korridor bedeckten. Sie war von den Worten des Angreifers wie betäubt und wartete furchterfüllt, was als nächstes geschehen mochte. Doch niemand näherte sich diesem Abschnitt des Schiffes.
»Rachel?« rief Yosef. »Schnell, kommen Sie herein. Rachel?«
Eine zerbrechliche, alte Hand packte Rachels Ärmel und zog sie nach hinten. »Nein, nein. Warten Sie.« Rachel riß sich los und sammelte sämtliche Waffen auf, die im Flur herumlagen.
Dann zog sie sich in die Kabine zurück und drückte auf den Knopf, der die Tür schloß. Sybil rannte zu ihr und klammerte sich an ihrem Bein fest.
Yosef betrachtete sie besorgt. »Setzen Sie sich, Rachel. Ich werde die Tür verriegeln. Und dann rufe ich Jeremiel an, um herauszufinden, was hier vorgeht.«
»Ja. Ru … rufen Sie ihn an«, flüsterte Rachel, war aber noch viel zu aufgeregt, um sich setzen zu können. Statt dessen wich sie bis zur Zimmermitte zurück, den Blick fest auf die Tür gerichtet, als erwarte sie jeden Moment, einen weiteren Verrückten hereinstürmen zu sehen.
Er hatte ihr gesagt, sie solle sich bewaffnen. Er hatte sie gewarnt …
Als ihr die volle Wahrheit dämmerte, setzte die Reaktion ein und sie begann unkontrolliert zu zittern.
»Rachel«, sagte Ari ernst. »Geben Sie mir die Gewehre. Und setzen Sie sich. Ich werde die Tür bewachen.«
»Nein … ich … ich …«
»Ist schon in Ordnung. Ich kann gut mit Gewehren umgehen.« Er nahm ihr die Waffen ab und führte sie zu einem Sessel, wo sie Platz nahm. Zögernd legte sie die Pistole auf den Tisch neben sich.
Sybil kletterte auf Rachels Schoß und legte die Arme um ihren Hals. »Mommy, war die Schießerei wegen dir?«
»Ich weiß nicht.« Jemand, der Adom liebte. Sie zog Sybil an die Brust und küßte ihr die dunklen Locken.
Sybil vergrub das Gesicht in Rachels langen schwarzen Haaren. »Ich hab dich lieb, Mommy.«
Yosef stand am Interkom und gab eine Reihe von Zahlen ein. »Jeremiel? Hier ist Yosef Calas. Bist du da?«
Eine andere Stimme erklang aus dem Lautsprecher, eine Stimme, an die Rachel sich vage erinnerte. »Yosef? Hier ist Avel Harper. Ich fürchte, Jeremiel ist in einer dringenden Angelegenheit unterwegs. Es gab eine Reihe von Toten auf Deck sechs. Offenbar ist der Bürgerkrieg mit an Bord gekommen. Ist Rachel sicher ins Schiff gelangt?«
Yosef blickte zu Rachel hinüber und runzelte die Stirn. »Sie ist in Sicherheit. Aber ich fürchte, wir hatten ganz ähnliche Probleme. Wir sind von sechs Männern angegriffen worden. Der Flur vor ihrer Kabine ist mit Leichen bedeckt. Schicken Sie bitte ein Sicherheitsteam auf diesen Korridor.«
Es folgte eine kurze Pause, und Rachel hörte, wie Harper tief aufseufzte. »Wird sofort gemacht. Und sagen Sie Rachel, sie soll keinen Fuß vor die Tür setzen, bis Jeremiel persönlich dort auftaucht. Verstanden?«
Yosef schaute zu Rachel hinüber. Sie nickte. »Wir haben verstanden. Können wir sonst noch etwas tun?«
»Nein. Ich vermute, Jeremiel wird noch eine Weile beschäftigt sein. Warum schlagen Sie Rachel nicht vor, sich ein wenig hinzulegen? Ich werde Jeremiel das gleiche empfehlen. Er kann sich kaum noch auf den Füßen halten.«
»Das ist eine gute Idee. Sobald der Sicherheitstrupp hier eingetroffen ist, kommen Ari und ich auch zu seiner Kabine. Vielleicht können wir ihn ja gemeinsam überzeugen.«
»Mir ist jede Hilfe willkommen. Meine besten Wünsche an Rachel und Sybil. Wir sehen uns bald. Harper Ende.«
Yosef drückte auf die Kontrolltasten, und Rachel schaute verwirrt zu ihm auf. Ihr Körper, eben noch durch das Adrenalin aufgepeitscht, wirkte plötzlich völlig erschöpft und kraftlos.
»Sybil«, sagte Yosef leise, »warum holst du deiner Mutter nicht etwas Suppe.«
Das Mädchen nickte und rutschte vom Schoß ihrer Mutter herunter. Ihre Augen waren noch immer furchtsam aufgerissen, als sie zum Automaten hinüberging.
Die Stille senkte sich wie eine bleierne Decke auf Rachels Schultern. Ari und Yosef standen auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers und sprachen leise miteinander. Rachels Blick glitt ziellos durch den Raum. Es war ein kleines, kompaktes Zimmer. Die beiden Betten nahmen schon die ganze Rückwand ein. Daneben stand ein Schreibtisch mit einem Computerterminal, dessen Cursor regelmäßig blinkte. Sie hatte eine gewisse Vorstellung davon, wie man mit Computern umging. Selbst auf Horeb hatte es ein paar von diesen Geräten gegeben. Ein Tisch und zwei Sessel vervollständigten die Einrichtung.
Sybil kehrte
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