Die Gamnma Option
Ende des Fluchttunnels«, dröhnte die Stimme des Generals, »warten meine Leute auf Sie. Sie sind als Bettler verkleidet und werden Sie sicher zum Flughafen geleiten. Im Keller wartet Kleidung auf Sie, in der Sie in dem Chaos in der Stadt nicht auffallen werden. Gehen Sie mit Allah, meine Freunde. Gehen Sie und verwirklichen Sie unser Schicksal.«
Im Speiseaufzug hörte McCracken das Scharren von Füßen. Letzte Grüße wurden ausgetauscht, dann wurde die schwere Tür geöffnet und wieder geschlossen. Zwei Füße, sicherlich die Hassanis, schritten über den hohen Teppich zu einer Stelle, wo McCracken ein Fenster vermutete, von dem aus Hassani die Verteidigungsbemühungen der Revolutionswächter beobachten konnte.
Es war soweit.
Die Luke des Aufzugs öffnete sich in eine große Nische des Raums. Blaine drückte sie ganz zurück und konnte nichts weiter als dunkle, vollgestopfte Bücherregale sehen, die von einer Wand zur anderen verliefen. Die Nische war etwa zwölf Meter breit, und bis auf schmale Gänge wurde sie von den Regalen vereinnahmt.
Mit der leisen Geschmeidigkeit einer großen Dschungelkatze glitt McCracken aus dem Aufzug. In der Hand hielt er eine Pistole; die sperrige Uzi hatte er im Keller zurücklassen müssen. Er schlich die Regale entlang; der hohe Orientteppich dämpfte seine Schritte. Anhand des ins Zimmer fallenden Sonnenlichts konnte er genau sagen, wo sich das Fenster befand. Und da war ein Schatten, Hassanis Schatten.
Er hatte die Ecke des vordersten Regals erreicht und sprang hervor, die Beine gespreizt, die Pistole schußbereit.
»Keine Bewegung!« rief er und fand sich einer schwarzen Büste des Ajatollah Khomeinis gegenüber, die den Schatten warf, den er für den Hassanis gehalten hatte. Bevor er herumwirbeln konnte, erklang eine andere Stimme in der hohen Bibliothek.
»Lassen Sie die Waffe fallen, McCracken«, befahl Hassani.
Blaine gehorchte und hob die Hände.
»Und jetzt drehen Sie sich um. Aber langsam. Und lassen Sie die Beine gespreizt.«
Erneut gehorchte McCracken und sah sich fünf Meter von General Amir Hassani entfernt, der eine Maschinenpistole auf ihn richtete.
»Ich muß gestehen, Sie haben mir gewaltigen Ärger bereitet, McCracken.«
»Endlich lernen wir uns kennen, General«, erwiderte Blaine eisig. »Oder sollte ich sagen, treffen wir uns wieder … Yosef Rasin.«
Die Reaktion der uniformierten Gestalt bestand zuerst aus Verblüffung und dann aus lautem Gelächter. Mit der freien Hand griff der Mann an sein Gesicht und riß einen guten Teil seines Barts ab; darunter wurden hellere Haut und wesentlich hellere Bartstoppeln sichtbar. Er zerrte noch ein paarmal an dem Theater-Make-up, und das Gesicht darunter erwies sich unverkennbar als das von Yosef Rasin.
»Wie schade, daß Sie nicht zum Verteidigungsminister ernannt wurden«, spottete Blaine.
»Das habe ich wohl Ihnen zu verdanken, Mr. McCracken. Aber es braucht Sie nicht zu reuen. Ich werde sehr bald an diversen anderen Feierlichkeiten teilnehmen.«
»An Beerdigungen, Rasin, für die nur Sie verantwortlich sind.«
»Wohl kaum. Ich werde ein Held sein. Das Volk von Israel wird mir zuströmen, sobald es von meinen Taten erfährt.«
»Von den Millionen Toten?«
»Vielleicht.«
»Man wird Sie nicht mit Moses, sondern mit Hitler vergleichen.«
Rasin stand einfach da und bemühte sich nach Kräften, keine Regung zu zeigen. McCracken mußte den Wahnsinnigen auf jede nur erdenkliche Weise ablenken. Während ihres Gesprächs hatte er begonnen, die Entfernung zwischen ihnen zu verringern. Er war Rasin bereits einen Meter näher gekommen, und wenn er noch einen weiteren schaffte, konnte er ihn anspringen. Wenn er Rasin noch einen Augenblick am Sprechen halten konnte …
»Lace!« rief Rasin zur Tür hinüber.
Die Doppeltüren öffneten sich, und die größte Frau, die Blaine je gesehen hatte, trat ein. Sie mußte mindestens an die zwei Meter groß sein, hatte ein blasses Gesicht, eine kurze blonde Punkfrisur und trug einen schwarzen Lederanzug. »Sie!« rief Blaine. Er erkannte sie von ihren Zusammenstößen in Boston und Masada und begriff im selben Augenblick, daß dies die Frau war, die John Neville, Henri Dejourner und Hiroshi getötet und Matthew entführt hatte.
Lace baute sich rechts hinter Rasin auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Bei jeder ihrer Bewegungen schepperte eine Vielzahl von Waffen gegeneinander, die sie an ihrem Gürtel trug. Blaine erkannte eine davon als
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