Die Gang: Roman (German Edition)
sein.«
»Ja.«
Beweisstücke. Haare von Fremden. Vielleicht Blut. Vielleicht Sperma. Dave hatte nichts dergleichen bemerkt, aber die Kollegen im Labor waren Experten. Die kleinste Spur …
»Ist alles in Ordnung?«
»Ich denke über die Beweisstücke nach.«
»Tut mir leid. Ich hätte es nicht erwähnen sollen.«
»Nein, du hast recht. Es war ein Fehler, das Zeug überhaupt anzufassen.«
»Aber nur dadurch hast du herausgefunden …«
»Ja. Auch das. Genau wie ich sagte, ein Fehler. Wenn ich meine Finger von ihren Sachen gelassen hätte, würden wir jetzt gar nichts wissen. Wir würden heute Nacht nicht hierherkommen.«
»Schade, dass ich sie nicht in Stereo hören kann«, sagte Cowboy und hielt eine Hand hinter sein bandagiertes Ohr. »Sie ist ziemlich gut, nicht wahr?«
Das Banjomädchen stand neben der langen Schlange vor der Achterbahn und schlug mit dem Fuß den Takt, während sie The Rock Island Line spielte. Mit dem Kleid, das sie jetzt trug, sah sie überhaupt nicht mehr wie eine Pennerin aus. Das Kleid gefiel Jeremy. Es war kurz und zeigte ihre schlanken Beine, und das Gewicht des Banjos drückte es eng an ihre Brüste.
Aber sie ist immer noch keine Tanya, dachte er. Wie konnte ein Kerl wie Nate mit ihr gehen, wenn er Tanya gehabt hatte? Es ergab einfach keinen Sinn. Es sei denn, es hätte etwas mit der Aura von Unschuld und Geheimnis zu tun, die sie umgab.
Unschuld! Aber klar doch. Jeremy erinnerte sich, wie sie ihn angefaucht hatte, Mittwochnacht. Sie ist ein Miststück, dachte er. Und hart wie Stahl. Wahrscheinlich so unschuldig wie eine Hure.
Ich muss Tanya unbedingt von ihr erzählen!
Warum war ausgerechnet Cowboy aufgetaucht und war ihm jetzt im Weg?
Jeremy hatte das Gefühl, dass seine Zeit ablief, als wäre seine Chance für immer verloren, wenn er nicht bald mit Tanya sprach.
Die Musik hörte auf. Cowboy applaudierte ebenso wie diverse Leute, die in der Reihe vor der Achterbahn standen, und andere, die stehen geblieben waren, um zuzuhören.
»Ich hätte nichts dagegen, an ihren Saiten zu zupfen.« Du würdest hinter Nate anstehen müssen, dachte Jeremy. »Ich würde sie auch nicht aus dem Bett werfen«, sagte er.
Sie schlug eine schnelle Melodie auf dem Banjo an und fing wieder an zu singen.
Jeremy spürte einen Klaps auf der Schulter. »Warte auf mich, Kumpel«, sagte Cowboy. »Ich geh mal pinkeln.«
»Bis gleich.«
Er beobachtete, wie Cowboy sich langsam durch die Menge schob. Dann eilte er in die entgegengesetzte Richtung. Endlich!
Als er den Münzfernsprecher neben dem Haupteingang erreichte, war Cowboy vermutlich bereits auf der Toilette fertig.
Aber er wird nicht wissen, wo er mich suchen soll. Vielleicht versucht er es nicht einmal.
Zitternd griff er nach dem angeketteten Telefonbuch. Er blätterte die Seiten durch. Ashland. Nur drei Ashlands. Zwei davon waren Ronald Ashland, D. C. Er erinnerte sich, dass Shiner gesagt hatte, Tanyas Vater wäre Orthopäde. Ein Eintrag war für die Praxis des Vaters, aber der andere war die Avion-Adresse.
Er murmelte die Telefonnummer vor sich hin, nahm den Hörer, steckte ein paar Münzen in den Schlitz und wählte.
Das Klingeln hörte sich weit entfernt an, erstickt von den Geräuschen der Leute und von der Karussellmusik. Er drückte den Hörer fest ans rechte Ohr und steckte einen Finger ins linke.
Das half.
Jetzt konnte er das Klingeln deutlicher hören.
Lieber Gott, dachte er. Ich rufe tatsächlich Tanya an! Sein Herzschlag beschleunigte sich, und er konnte spüren, wie seine Kopfschmerzen wieder stärker wurden. Der Plastikhörer fühlte sich feucht und glitschig an. Vielleicht war sie nicht zu Hause.
Er hoffte fast, dass sie nicht da war.
Was mache ich hier?
Geliebte im Blut. Loyalität. Du musst dich noch bewähren. Du willst sie doch, oder?
JA!
»Hallo?« Eine weibliche Stimme.
»Hi. Tanya?«
»Einen Augenblick. Ich hole sie ans Telefon.«
Muss ihre Mutter gewesen sein. Geht sie holen. Sie ist zu Hause!
Jeremy sah sich um und beobachtete die Menge. Bis jetzt war kein Cowboy in Sicht.
Komm schon, Tanya. Komm schon!
»Sie wird gleich da sein«, sagte die Stimme ihrer Mutter.
»Ich hab es, Mom.« Tanyas Stimme. Jeremy hörte, wie der andere Hörer aufgelegt wurde.
»Hi«, sagte er. Sein Herz klopfte laut. Im Kopf pulsierten die Schmerzen. »Hier ist Jeremy. Duke.«
»Wie geht es dir? Hast du gehört, dass wir uns heute Nacht treffen?«
»Ja. Cowboy hat’s mir gesagt.«
»Du wirst doch da sein,
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