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Die Gang: Roman (German Edition)

Die Gang: Roman (German Edition)

Titel: Die Gang: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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sie nicht wollte, dass es so aussah, als zöge sie einen Vorteil aus der Situation. Am besten war die gemeinsame Mittagspause gewesen. Sie hatten sich Pizzastücke und Pepsis von einem der Stände geholt und im Nebenraum gegessen. »Mein hiesiges Zuhause« hatte er den Raum genannt, und Robin hatte dazu bemerkt, es sehe eher aus wie ein Sportartikelladen. Ein mit Papieren bedeckter Tisch stand in der Mitte des kleinen Zimmers, aber in den Ecken lagen Volleybälle, Laufschuhe und eine Frisbeescheibe. Diverse Badehosen, eine Tauchermaske mit Schnorchel, ein Sweatshirt und ein Surfanzug hingen an Haken. An eine Wand war ein Surfboard gelehnt.
    »Wirst du mir irgendwann beibringen, wie man surft?«, hatte sie gefragt.
    Ein paar Sekunden lang war sein Blick ausdruckslos geworden. Robin fragte sich, ob er mit dem Surfbrett eine schlimme Erinnerung verband. Vielleicht war ein Freund ertrunken oder so etwas. Aber die Leere verschwand schnell wieder. Er nickte und kaute weiter an seiner Pizza. »Aber klar. Ich werde ein kalifornisches Mädchen aus dir machen.«
    Und als sie mit dem Essen fertig waren, lehnte er sich gegen die Tür, damit niemand hereinkommen konnte. Robin schmiegte sich an ihn. Sie umarmten und küssten sich lange.
    Wenn sie doch jetzt in seinen Armen liegen könnte! Es musste schon fast fünf Uhr sein, dachte sie, während sie ein Beach-Boys-Medley spielte. Als sie zum letzten Mal jemand nach der Uhrzeit gefragt hatte, war es fünf nach halb fünf gewesen. Die Zeit seitdem war ihr wie eine Stunde vorgekommen.
    Die Zeit fliegt, wenn es einem gut geht, aber wenn man wartet, kriecht sie nur so dahin.
    Sie wechselte von Surfin’ USA zu California Girls und musste über die Reaktion ihrer Zuhörer lächeln. Immer wenn sie anfing, dieses Lied zu spielen, drehten sie durch, johlten und klatschten. Das war seit ihrer Ankunft in Funland so gewesen. Sie zupfte und schlug die Saiten, und dann sah sie Nate hinter einer Gruppe von Mädchen im Teenageralter auftauchen, die mitsangen, winkten und sich drehten.
    Sie beendete das Lied unter Beifallsrufen und Applaus. Die Leute traten zu ihr vor und warfen Geld in den Banjokasten zu ihren Füßen, und einige blieben einen Augenblick stehen, um ihr Komplimente zu machen. Sie dankte ihnen allen und verkündete dann: »Das war’s für heute, Leute.« Sie hörte ein paar Klagen und Proteste. Dann kam noch mehr Applaus, und noch mehr Leute näherten sich, mit Geld und freundlichen Worten.
    »Du bist ein Erfolg«, sagte Nate.
    »Es ging ziemlich gut«, gab sie zu und hockte sich hin, um das Geld einzusammeln. »Aber ich dachte, es würde nie fünf Uhr werden.«
    »Ja. Ich auch.«
    Sie reichte Nate die Münzen und Scheine und legte dann ihr Banjo in den Kasten. Sie gingen zur Arkade und zählten das Geld im Nebenzimmer. Es waren 48,50 Dollar. »Kein schlechter Schnitt«, sagte Nate. Sie teilten es sechzig zu vierzig. Er gab Robin ihren Anteil und dann einen Scheck.
    »Was ist das?«
    »Ein Wochenvorschuss auf deinen Lohn.«
    »Das musst du nicht tun.«
    »Wenn du es nicht willst …«
    »Na ja, das habe ich nicht gesagt.«
    Er lachte und küsste sie. »Fertig? Gehen wir?«
    »Ich bin schon eine ganze Weile fertig. Ungefähr seit Jahrtausenden.«
    Nate hielt ihren Rucksack hoch, und sie schlüpfte in die Gurte. Er nahm ihren Banjokasten, und gemeinsam überquerten sie die Arkade.
    In dem Moment, als die beiden die Arkade verließen, fuhr Jeremy herum, beugte sich über das Geländer und starrte hinaus auf den Strand. Er wartete ein paar Sekunden und drehte sich dann um. Erst konnte er sie nicht entdecken, und Panik ergriff ihn. Dann stolzierte eine Gruppe von Rockern weiter, und er sah, dass Nate und das Mädchen weiter hinten über die Promenade liefen. Sie wandten ihm den Rücken zu.
    Er folgte ihnen, beschleunigte seinen Schritt und rückte näher an sie heran, voller Angst, sie wieder aus den Augen zu verlieren.
    Sonst wäre all das Warten umsonst gewesen …
    Er konnte kaum glauben, wie lange er auf sie hatte warten müssen, Stunden um Stunden. Nach dem Telefongespräch mit Tanya war er zu der Gruppe der Zuhörer um das Mädchen zurückgekehrt. Cowboy hätte dort sein sollen, war es aber nicht. Vielleicht war er weitergegangen, um nach Jeremy zu suchen. Aber die Zeit verging, und er kam nicht zurück. Jeremy war ein bisschen sauer auf ihn. Was ist das für ein Freund, der einfach abhaut und dich stehen lässt? Aber er war auch erleichtert. Es wäre schwierig gewesen, das

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