Die Gang: Roman (German Edition)
oder?«
»Klar! Die Sache ist die: Ich muss dir was erzählen. Es geht um Nate.«
»Der verdammte Dreckskerl!«
»Ja, wirklich. Aber die Sache ist, dass ich ihn heute früh gesehen habe. Er war in einem Motel. Mit einem Mädchen.«
Tanya sagte nichts.
»Tut mir leid«, sagte Jeremy, nachdem er ein paar Sekunden ihrem Schweigen gelauscht hatte. »Ich dachte nur, ich sollte es dir sagen.«
Tanya murmelte etwas.
»Wie? Ich habe dich nicht verstanden.«
»Wer war sie?«
»Ich kenne ihren Namen nicht. Sie ist das Mädchen, das auf der Promenade Banjo spielt. Vielleicht hast du sie gesehen. Sie ist ziemlich dünn. Kurz geschnittenes blondes Haar, wie bei einem Kerl. Sie ist achtzehn oder zwanzig, denke ich. Sie spielt für Geld. Die Leute werfen Münzen in ihren Banjokasten. Sie ist jetzt gerade hier, drüben bei der Achterbahn.«
»Ich habe sie schon mal gesehen.«
»Also, Nate war in einem Motelzimmer mit ihr. Ich weiß nicht, ob sie die Nacht zusammen verbracht haben, aber er kam gegen zehn heute früh dort raus. Ich bin zufällig vorbeigekommen. Er hat mich aber nicht bemerkt. Also habe ich in einem Restaurant gegenüber gewartet und aufgepasst, mit wem er wohl zusammen gewesen war. Ich meine, nach dem, was gestern Abend passiert ist, nahm ich nicht an, dass du es wärst. Und dann war es dieses Banjomädchen. Sie kam schließlich raus, und ich bin ihr bis Funland gefolgt. Also, vielleicht hat er wegen ihr … du weißt schon … sich gestern so angestellt und ist abgehauen.«
»Und er hatte sie schon im Motel untergebracht.«
»Ja.«
»Dieser dreckige Arsch!«
»Das ist er sicher«, sagte Jeremy. »Mann, er muss verrückt sein, dich für einen verdammten Troll fallen zu lassen. Sie ist nicht einmal halb so schön wie du. Das ist keine.«
»Danke. Du bist ein netter Kerl.«
Sein Herz schien zu bersten. Trotz der tobenden Kopfschmerzen spürte er einen Funken Stolz und Hoffnung. »Ich dachte nur, dass du es wissen solltest. Ich meine, nach gestern Nacht … wir sind Geliebte im Blut.«
»Das stimmt. Und es war richtig, dass du mir alles erzählt hast. Ich bin dir etwas schuldig.« Sie wurde wieder still.
Sie ist mir etwas schuldig. Bedeutet das, dass ich mich bewährt habe? Ja. Vielleicht. O Gott!
»Ist Cowboy bei dir?«, fragte sie.
»Jetzt gerade nicht. Ich wollte dich lieber allein anrufen.«
»Weiß er etwas darüber?«
»Nein. Ich habe nichts gesagt. Ich habe es niemandem erzählt. Ich dachte, keiner außer dir sollte das wissen. Ich meine, es ist eine persönliche Sache, und …«
»Das ist gut. Sag es keinem. Es ist unser Geheimnis, nur deines und meines. Sie ist also noch dort auf der Promenade?«
»Ja. Singt einen Haufen dummer Songs.«
»Okay. Würdest du mir einen Gefallen tun?«
»Klar. Alles.«
»Behalte sie im Auge. Folge ihr, wenn du kannst. Ich will wissen, wo wir sie heute Nacht erwischen können.«
»Ich habe kein Auto.«
»Das ist in Ordnung. Tu einfach, was du kannst. Und ruf mich an, wenn du etwas herausgefunden hast.«
»Das mache ich.«
»Gut. Gut gemacht. Wir werden uns später treffen. Nur du und ich.«
34
Der Nachmittag schien endlos zu sein. Robin versuchte, sich in ihrer Musik zu verlieren, und mitunter vergingen auch einige Minuten, in denen sie nicht an Nate dachte. Die Lieder mit Text waren dazu am besten geeignet, da sie sich bei ihnen auf die Worte konzentrieren musste. Aber zwischen einzelnen Liedern oder bei Instrumentaltiteln musste sie immer wieder an ihn denken.
Sie fühlte sich wohl und erfüllt und warm. Und aufgeregt und ein bisschen nervös, wenn sie sich fragte, was wohl als Nächstes geschehen würde.
Es gibt keinen Grund, sich Sorgen zu machen, sagte sie sich immer wieder. Die große Sache war schon passiert. Sie würde nicht mehr über ihren Köpfen schweben und sie nervös und ungeschickt machen. Sie waren frei, um sich zu vergnügen …
Falls es jemals fünf Uhr würde.
Manchmal sehnte sie sich sehr nach ihm. Wenn es allzu schlimm wurde, legte sie Pausen ein und ging in die Arkade, und allein der Anblick Nates stillte ihr Verlangen ein wenig. Sie unterhielten sich, und sie spazierte mit ihm herum und freute sich über sein gutes Verhältnis zu seinen Kunden. Die meisten Kids behandelten ihn wie einen alten Freund und Kumpel. Er wechselte Scheine in Münzen, zeigte einigen Anfängern die Grundlagen der Spiele und bestand darauf, dass Robin Invasion aus dem Weltall und Super Mario Brothers spielte. Aber sie war nie lange geblieben, weil
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