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Die Gang: Roman (German Edition)

Die Gang: Roman (German Edition)

Titel: Die Gang: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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verpasst, die Finger in das Loch gesteckt, es weit auseinandergezogen und den Stoff zerrissen, bis er wie ein Maul aufklappte. Sie versah ihr Sweatshirt mit einem ähnlichen Loch, etwa zehn Zentimeter unter der rechten Brust. Dann betupfte sie die Kleider mit brauner Schuhwichse, die sie hier und da tiefer einrieb und mit der sie eine gelungene Illusion von verschmiertem Dreck hervorrief. Aus reinem Übermut knotete sie ein rotes Tuch um ihr rechtes Knie. Schließlich wickelte sie sich in die alte braune Decke, die die Familie schon zu Spaziergängen mitgenommen hatte, als sie noch ein Kind war. Sie drapierte eine Seite über ihren Kopf wie eine Kapuze und inspizierte sich nochmals im Spiegel. Ihr Gesicht passte überhaupt nicht – zu sauber und glatt, der Blick zu scharf. Keine Warzen und kein Bart, dachte sie und lächelte grimmig. Aber die Verkleidung an sich sah jetzt gut aus, und sie ging in die Küche, um sich Debbie zu zeigen.
    »Was ist los?«, fragte Debbie, den Mund noch voller Pizza. »Veranstaltet jemand ein Kostümfest?«
    »Sehe ich nicht reizend aus?«
    »Du reizt höchstens zum Kotzen. Du siehst wie ein Troll aus.«
    »Danke.«
    »Du willst doch nicht ernsthaft so ausgehen?«
    »Meinst du nicht, dass Dave mich verführerisch finden wird?«
    »Ganz und gar nicht. Was hast du vor?«
    »Ich werde mich als Troll betätigen.« Sie legte die Decke über die Lehne eines Küchenstuhls, zog die Strickmütze ab und ging zu dem Schrank, in dem sie den Alkohol aufbewahrte. »Ich werde ein Lockvogel sein.«
    »Bist du verrückt? Was meinst du damit?« Debbie klang sehr erregt.
    Joan hockte sich hin und öffnete die Schranktür. Sie holte eine Flasche Bourbon heraus. »Das ist schon in Ordnung«, sagte sie. »Dave wird bei mir sein. Wir gehen über die Promenade, wenn Funland geschlossen ist.«
    »Warum?«
    »Wir werden ein paar Trolljäger fertigmachen. Jedenfalls haben wir das vor.« Sie drehte den Verschluss der Flasche auf, schüttete Bourbon in ihre Handfläche und spritzte die Flüssigkeit vorn auf ihr Sweatshirt. »Weißt du, wer Gloria Weston ist?«, fragte sie.
    »Nein.«
    »Sie hat für den Standard geschrieben. Von ihr stammte der Artikel über die Trolljäger vor ein paar Tagen.« Joan nahm einen Schluck Bourbon, verschloss ihn dann wieder, stellte die Flasche weg und stand auf. »Gloria hat sich gestern Abend als Troll verkleidet, um noch mehr zu erfahren, und ist verschwunden.«
    »O Gott!« Debbie wirkte schockiert und sah elend aus.
    »Wir gehen davon aus, dass die Trolljäger sie erwischt haben.«
    »Und ihr wollt …«
    »Wir wollen sehen, ob sie es auch bei mir versuchen.«
    »Joany, das kannst du nicht tun!«
    Joany. Debbie hatte sie seit Jahren nicht mehr so genannt.
    »Hey, es geht schon alles gut.« Joan ging zu ihr. Sie streichelte Debbie über den Hinterkopf. Das Mädchen blickte zu ihr auf, ängstlich, mit gerötetem Gesicht. »Mir wird nichts geschehen, Schatz. Das verspreche ich dir.«
    »Klar, du versprichst es. Ich wette, auch Mom hat nicht geglaubt, dass ihr etwas passieren würde.«
    Joan seufzte. Sie hätte Debbie nichts von ihren Plänen erzählen sollen.
    »Dave wird auch da sein. Wenn wir beide nicht mit einer Handvoll krimineller Teenager fertigwerden …«
    »Und was ist mit den Trollen? «, platzte Debbie heraus. »Was, wenn es nicht die Kids waren, die der Reporterin etwas angetan haben? Was, wenn es die Trolle waren und sie sich auf euch stürzen? Dort wimmelt es nur so von ihnen. Was, wenn sie dich erwischen, und …«
    »Also, erst mal denke ich, dass die Trolle kein Problem sind.«
    »Sie haben Mom erwischt!«
    »Das glaubst du nur. Wir wissen nicht, was mit Mom geschehen ist. Vielleicht werden wir es nie erfahren. Aber die Trolle werden mir nicht zu nahe kommen, dafür sorge ich schon.«
    »Ja, klar.«
    »Dave und ich werden beide bewaffnet sein. Egal, wer es sein mag – Trolle, Kids –, niemand stellt sich komisch an, wenn man eine Pistole auf ihn richtet.«
    »Was, wenn ihr nicht genug Munition habt?«
    »Du machst dir zu viele Sorgen.« Sie zauste Debbies Haar. »He, wenn wir nicht mehr schießen können, ist eben Kung-Fu-Zeit angesagt. Ich bin von Kopf bis Fuß eine einzige tödliche Waffe.«
    »Das ist überhaupt nicht witzig!«
    Debbie fing an zu weinen.
    Joan bückte sich und streichelte die Wange ihrer Schwester. »Komm schon, hör auf zu weinen.«
    »Du bist alles, was ich habe.«
    »Ich werde sehr vorsichtig sein. Ich kann nicht versprechen, dass nichts

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