Die Gang: Roman (German Edition)
ging an ihm vorbei. Sie schaute nach links und rechts, aber nicht mehr zu ihm zurück, und ging direkt über die Promenade auf die Lücke im Geländer zu und die Stufen zum Strand hinunter.
Als sie den Sand erreicht hatte, konnte man nur noch ein Stück ihres Kopfes sehen. Augenblicke später kamen ihre Schultern und der Rucksack wieder in Sicht. Sie drehte sich um, und Jeremy spürte, wie Angst in ihm aufstieg. Aber sie kam nicht auf ihn zu. Sie ging ein paar Schritte rückwärts, drehte sich dann wieder um und ging weiter in Richtung Wasser.
»Hexe«, murmelte Jeremy.
Geh mir aus dem Weg, Kid. Was bildete sie sich ein, so zu reden?
Ich hätte meinen Platz behaupten und sagen sollen: Ja? Wer wird mich dazu zwingen?
Und dann lächelt sie, oh, sie ist schon eine harte Frau, und setzt das Banjo ab und den Rucksack und zieht ihren Mantel aus. Sie trägt ein T-Shirt. Und sie zieht es über den Kopf, weil sie gern so kämpft, nur mit ihren Jeans bekleidet.
Jeremy stellte sie sich vor, nackt bis zur Taille, die Haut sahnig im Mondlicht, die Brustwarzen dunkel. Sie geht langsam auf ihn zu. Vornübergebeugt wie ein Ringer. Die Arme ausgestreckt.
Sie umkreist ihn, sucht nach einer Schwäche.
Zwing mich nicht, dir wehzutun, warnt er.
Du und welche Armee?, fragt sie.
Ja, das wäre was. Mit ihr zu ringen, sie zu Boden zu werfen. Dann könnte es wirklich interessant werden. Natürlich noch besser mit Tanya.
Wie wäre es damit, mit Tanya zu ringen?
Sie würde mich fertigmachen.
Aber es wäre die Sache trotzdem wert.
Wo steckt sie?
Eine Hand legte sich auf Jeremys Schulter, und er fuhr zusammen und drehte sich schnell um.
»Hab mich wie ’n Indianer rangeschlichen«, sagte Cowboy.
»Mann, du hast mich fast zu Tode erschreckt.«
»Sei froh, dass nur ich es war. Du solltest wachsamer sein, wenn du hier allein bist. Die Drecksäcke werden dich zum Frühstück verspeisen.«
»Wo sind die anderen?«
»Daheim im Bett, nehme ich an.«
»Was ist denn los?«
»Sie haben’s für heute Nacht abgeblasen.«
Ich hatte recht, dachte Jeremy. Sie haben nichts gegen mich.
Es war keine Falle.
Er hatte einen Kloß im Hals und ein hohles Ziehen zwischen den Augen, als müsste er weinen, aber er wusste nicht genau, ob es Erleichterung oder Enttäuschung war.
»Warum denn?«, fragte er.
»Diese verdammte Geschichte im Standard . Hast du sie gelesen?«
Jeremey schüttelte den Kopf.
»Ein Dummschwätzer von Reporter hat etwas über uns geschrieben. Nate war der Ansicht, dass es heute Nacht für uns zu heiß werden könnte. Hast du hier irgendwelche Bullen gesehen?«
»Nein.« Er überlegte, ob er das Mädchen erwähnen sollte, entschied sich aber dagegen.
»Na ja, ich hab es eigentlich nicht für ein Problem gehalten. Aber Nate ist lieber vorsichtig. Er hat befürchtet, dass sie hier heute Nacht alles überwachen oder so. Ein großes Theater machen, um uns zu erwischen. Also hat er Tanya angerufen und ihr ausgeredet, heute Nacht loszuziehen.«
»Ich hatte keine Ahnung«, sagte Jeremy.
»Warum, glaubst du wohl, bin ich hier, Duke? Konnte dich ja schlecht die ganze Nacht hier stehen lassen, wo die Party geplatzt ist.«
»Also, danke.«
»Ich wollte schon eher hier sein, aber du weißt ja, wie das ist.«
»Klar«, sagte Jeremy. »Besser spät als nie.«
»Hoffe, du hast nicht gedacht, wir hätten dich vergessen.«
»Nee. Ich hab angenommen, das Treffen wäre abgesagt oder so.«
»Also los, lass uns abhauen, bevor sich jemand auf uns stürzt.«
Jeremy folgte ihm durch den Torbogen. »Wer sollte so was tun?«
»Die Trolle, Mann.«
Er erinnerte sich daran, dass ihn das Mädchen gefragt hatte, ob er ein Trolljäger sei.
»Was soll all dieses Trollzeug?«, fragte er.
»Du weißt doch, Trolle .«
»Wie die Monster, die unter Brücken leben?«
»Du hast es erfasst, Junge. Unter Brücken, unter Promenaden , am Strand, überall. Sie sind wie Küchenschaben. Sie verkriechen sich in dunklen Ecken, und dann kommen sie raus und packen dich.«
»Das ist doch Märchenzeug.«
»Nennst du mich einen Märchenonkel?« Cowboy schubste ihn und lachte.
Sie trotteten die Betontreppe hinunter, und Jeremy zeigte auf sein angekettetes Fahrrad.
»Es geht nicht um die Monster aus den Märchen«, erzählte ihm Cowboy. »Wir reden von Pennern, Wermutbrüdern, Spinnern, wie dem Stück Dreck, das dich angebettelt hat, bevor ich dich gerettet habe.«
»Das war ein Troll? «
»Aber klar doch.«
Jeremy blieb neben seinem Rad stehen und
Weitere Kostenlose Bücher