Die Gang: Roman (German Edition)
als sie näher kam. »Haste was übrig für ’ne Tasse?«
Sie grub in ihrer Jeanstasche nach einer Dollarnote, reichte sie ihm und zog ihre Hand schnell zurück. Sie fürchtete die Berührung.
»Gott vergelt’s«, murmelte er.
Robin eilte weiter.
Wozu sollte das nun wieder gut sein? Bestechungsgeld, um sich die Schuldgefühle vom Leib zu halten, weil sie vor den anderen geflohen war oder mit der Idee gespielt hatte, es seien Außerirdische auf der Jagd?
Warum auch immer, sie fühlte sich besser, nachdem sie ihm das Geld gegeben hatte.
Sie blickte zurück. Er saß immer noch an der Wand. Weiter entfernt standen die Kids immer noch um den Lieferwagen herum. Die Musik aus dem Radio war nur noch schwach zu hören.
Sie überquerte eine Straße und ging am Parkplatz von Funland entlang. Die Kartenbuden waren geschlossen. Ein paar Autos standen noch auf dem Asphalt. Eines hatte einen platten Hinterreifen. Sie fragte sich, ob bei den anderen wohl die Batterien leer waren, oder hatten die Leute sie aus anderen Gründen hier stehen lassen? Waren sie überhaupt leer?
Die Fenster eines Chevy nahe dem Bürgersteig waren beschlagen. Sie sah schnell weg, aus Angst, dass sich jemand plötzlich aufrichten, das Gesicht ans Fenster pressen und sie ansehen würde.
Hör auf zu spinnen, Robin.
Seit sie aus dem Kino gekommen war, hatte sie ihrer Fantasie freien Lauf gelassen, sich erschrecken lassen. Es liegt an dieser verdammten Stadt und an ihren Pennern, und daran, dass mich jeder warnt.
Vielleicht sollte ich zurückgehen, dachte sie. In eines der Motels. Nur für heute Nacht.
Das wäre feige.
Ich kann auf mich selbst aufpassen.
Sie überquerte die Straße und den Fußgängerweg und ging die Betontreppe hinauf.
Das vom Mondlicht beleuchtete Clownsgesicht begrüßte sie mit einem Lächeln.
9
Einige Stunden früher in dieser Nacht war Jeremy immer noch zu Hause und lag auf seinem Bett.
Er griff nach dem Kissen, das er auf den Wecker gelegt hatte, und hob es hoch. Zwanzig vor eins. Der Wecker sollte in fünf Minuten klingeln. Er drückte den Knopf und stellte ihn ab.
Er hatte überhaupt nicht geschlafen, sondern sich nur hin und her gewälzt. Durch seinen Kopf wirbelten Bilder von Cowboy und der Promenade und dem Strand und Tanya, die dazu führten, dass er sie nur noch mehr begehrte. Er hatte gezittert. Geschwitzt. Er hatte sich so viel herumgewälzt und -gewunden, dass sich sein Schlafanzug ein paarmal um ihn herumgewickelt, ihn gefesselt hatte, die Nähte hatten in den Achselhöhlen und im Schritt gekniffen. Nach einiger Zeit hatte er den Schlafanzug ausgezogen, aber seine Nacktheit hatte ihn nur noch mehr erregt, und so zog er den Schlafanzug wieder an.
Noch nie waren zwei Stunden so lang und so köstlich gewesen.
Immerhin war das Warten jetzt vorbei.
Er sprang aus dem Bett, legte seine beiden Kissen längs auf die Matratze und breitete die Decke darüber, damit seine Mutter mehr als nur ein leeres Bett sehen würde, sollte sie aufwachen und – vielleicht auf dem Weg ins Bad – nach ihm sehen.
Er zog den feuchten Schlafanzug aus, knäulte ihn zusammen und stopfte ihn zu den Kissen.
Zitternd vor Kälte bückte er sich, griff unters Bett und zog ein Bündel Kleider heraus, die er für das Abenteuer heute Nacht zurechtgelegt hatte. Cowboy hatte ihn instruiert, etwas Dunkles anzuziehen, und ihn gewarnt, es würde »kälter als ein nackter Arsch in ’nem Schneesturm« werden. Cowboy hatte auch vorgeschlagen, er solle ein Messer mitnehmen, falls es Ärger gäbe.
Die Bemerkung über das Messer hatte Jeremy zu fragen veranlasst: »Was wollen wir überhaupt machen?«
»Nur ’n bisschen Spaß haben. Aber um diese Zeit in der Nacht weiß man nie. Sollten für alles vorbereitet sein.«
Es war ziemlich klar, dass die Kids nichts Gutes vorhatten. Man schleicht sich nicht aus dem Haus und trifft sich um ein Uhr in der Nacht in Funland, nur um rumzustehen und zu reden. Er wollte weiter fragen, befürchtete aber, dass Cowboy ihn für übertrieben vorsichtig halten könnte. Außerdem war es nicht wirklich wichtig, was sie tun würden. Er wollte einfach mit ihnen zusammen sein.
Einer von ihnen.
Was auch immer es war, er hatte vor, mitzumachen. Jeremy schlüpfte in seine Unterwäsche und die dunkelblaue Cordhose. Er fasste an die Tasche, um sich zu versichern, dass der Schlüssel und das Messer immer noch dort waren. Er zog sein Hemd an, steckte es in die Hose und zog einen blauen Anorak darüber. Seine Socken und
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