Die Gang: Roman (German Edition)
Turnschuhe trug er in der Hand.
An der Tür stehend, spähte er den Flur entlang zum Zimmer seiner Mutter.
In dem anderen Haus hatte er direkt an ihrer Tür vorbeischleichen müssen, wenn er nachts heimlich hinausging, um in der Nachbarschaft herumzulaufen und in die Fenster zu schauen. In diesem Haus lag ihr Schlafzimmer am Ende des Flurs. Eine erheblich günstigere Regelung.
Jeremy ging leise zur Haustür. Er löste die Kette von der Tür. Sie klirrte ein wenig, aber nicht sehr. Die Tür öffnete sich lautlos, denn er hatte vor dem Abendessen die Türangeln geölt, während seine Mutter ein Bad nahm. Das Haus hatte eine verglaste Veranda, noch etwas, das besser war als im alten Haus. Sein Fahrrad stand abfahrbereit in einer Ecke. Im alten Haus hatte er es in der Garage aufbewahren müssen und deshalb nie für seine Streifzüge benutzen können.
Er lehnte sich an den Türrahmen und zog Socken und Schuhe an. Dann hob er sein Rad hoch, trug es zur Fliegentür, schob sie mit dem Rücken auf und eilte die drei Stufen zum Randstein hinunter.
Die Nachbarschaft war von Straßenlampen und vom Mondlicht erleuchtet. Unter den Bäumen lagen tiefe Schatten der Dunkelheit. In einigen der Häuser waren die Verandalichter eingeschaltet, aber die meisten Fenster waren dunkel. Er sah niemanden.
Der Wind fühlte sich auf Gesicht und Händen kalt an. Er brachte einen nassen, frischen Geruch mit sich und bewirkte, dass Jeremy sich wegen der Strecke, die er allein zurücklegen musste, langsam etwas unbehaglich fühlte. Dieses Unbehagen dämpfte seine Erregung, und einen Augenblick lang wünschte er sich, wieder in seinem Bett zu liegen. Ich werde ziemlich bald die Kids treffen, versuchte er sich zu beruhigen. Es wird toll werden.
Zitternd vor Kälte stellte er sein Fahrrad auf die Straße und schob es, mit einem Fuß auf dem Pedal stehend, so lange an, bis es ziemlich schnell fuhr. Dann schwang er sich in den Sattel. Als er die Straße entlangraste, blickte er auf die Armbanduhr. Zehn vor eins.
Er hatte vor, Nebenstraßen zu benutzen und die Hauptstraße, die trotz der fortgeschrittenen Stunde noch belebt sein könnte, zu vermeiden. Aber trotz des Umwegs würde er rechtzeitig am Eingang von Funland sein.
Er fragte sich, ob Tanya schon dort war. Was würde sie wohl anhaben? Keine Shorts. Etwas Warmes. Er dachte daran, wie sie ausgesehen hatte, am Strand, mit ihren Shorts und dem T-Shirt, und das Gefühl des Verlassenseins ließ nach. Er dachte daran, wie er die Eiscreme von ihrem Bein abgewischt hatte, mit seiner Hand in ihre Shorts geglitten war, und der Wind fühlte sich nicht länger kalt an.
Es wird toll werden. Ganz gleich, worum es geht.
Er hatte genug Zeit gehabt, darüber nachzudenken, was sie heute Nacht wohl vorhatten. Er tippte auf Trinken. Drogen waren auch eine Möglichkeit. Er hatte nie welche genommen und war auch nicht eben versessen darauf, damit anzufangen, aber wenn das der Plan war …
Egal.
Auch Vandalismus. Er mochte es vielleicht nicht besonders, Drogen zu nehmen oder etwas kaputt zu machen, aber er wollte verdammt sein, wenn er kneifen und zulassen würde, dass man ihn für einen Feigling hielt.
Das war die beste Chance, die er je gehabt hatte, und er wollte sie nicht verderben.
Während des langen Wartens hatte er einige andere Möglichkeiten ausgeschlossen.
Er glaubte nicht, dass es um etwas so Drastisches wie Raub ging. Oder hoffte es jedenfalls.
Vielleicht irgendein Hexenzeug. Was, wenn Tanya die Anführerin eines Hexenzirkels war oder von etwas Ähnlichem, und sie sich trafen, um Blutopfer darzubringen? Was, wenn ich das Opfer bin? Jeremy hatte gelesen, dass solche Sachen wirklich passierten und es sich oft um Ritualmorde handelte, wenn Leute – besonders Kids – verschwanden. Aber das war doch zu abwegig. Er sagte sich, dass er verrückt war, überhaupt daran zu denken.
Auch an die Möglichkeit einer Orgie konnte er nicht so recht glauben. Während er sich in seinem Bett herumwälzte, hatte er versucht, sich einzureden, dass so etwas geschehen würde. Zu schön, um wahr zu sein. Aber es ergab keinen Sinn, sich zum Sex ausgerechnet an einem so kalten Ort wie der Promenade zu treffen. Es sei denn, sie konnten irgendwo reingehen. Cowboy hatte erwähnt, dass einige der Attraktionen von Funland Liz’ Vater gehörten, und es wäre ja möglich, dass Liz sie in einen warmen, geschützten Raum einließ, wo sie ihre Kleider ausziehen würden und …
Nein. Eine tolle Vorstellung, aber sehr
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