Die Gang: Roman (German Edition)
Keiner der Bande schien tapfer genug zu sein, um einen Schlag zu riskieren.
Baxter starrte Kim an – verblüfft und stolz und voller Angst.
Er kam stolpernd auf die Beine.
Und sah eine Bewegung links von ihm. Er drehte den Kopf rechtzeitig herum, um ein altes Weib vom Geländer der Promenade springen zu sehen. Sie kam herbeigesegelt, die Arme ausgestreckt wie eine riesige Fledermaus. Schwarze Lumpen flatterten. Kim sah sie und versuchte auszuweichen. Aber die Hexe war schon über ihr, warf sie in den Sand. Dann kamen die anderen.
Baxter warf sich auf sie.
11
Mag und Charlie schlurften unter der Promenade hervor und gingen auf die Treppe zu.
»Das is nich fair«, sagte Charlie. »Nich fair, nich fair.«
»Hat’s Maul«, sagte Mag.
»Wir werden’s verpassen! «, jammerte er.
Mag boxte gegen seinen Arm.
Er fasste sich an die schmerzende Stelle und stolperte außer Reichweite. »Wir werden’s verpassen!«
»Sind halt ausgesucht worden«, sagte Mag. »Werdn auch ’n bisschen Spaß ha’m.« Sie wedelte mit dem Motelschlüssel und grinste.
»Ich will aber dabei sein.«
»Biste aber nicht.«
»Das is nich fair.«
Sie gingen die Treppen hinauf. Als sie die Promenade überquerten, hörte Charlie einen leisen, gedämpften Schrei. Er wusste, das kam aus dem Funhouse. Und er war nicht dabei. Stöhnend schlug er sich an den Kopf.
»He!«
Er starrte Mag finster an. Sie suchte in einer Tasche ihres Mantels herum, holte eine Flasche heraus und bot sie ihm an. Er riss sie ihr aus der Hand. Ein paar Schlucke, und danach ging es ihm schon besser. Aber es war immer noch nicht fair.
Er nahm einen weiteren Schluck und gab dann die Flasche zurück.
Sie winkte ab. »Kannste behalten«, sagte sie. »Ich hab noch mehr.«
Immer wenn er Mag sah, schien sie eine neue Flasche zu haben. Und es war für gewöhnlich guter Scotch, kein Billigzeug. Er kannte ihre Mittel nicht, nahm aber an, dass sie eine Behindertenrente bekam. Sie machte keinen verkrüppelten Eindruck, aber vielleicht hatte sie den Staat irgendwie betrogen. Das würde ihren Reichtum erklären. Behindertenrente war mehr als die allgemeine Unterstützung, vielleicht dreimal so viel. Andererseits, vielleicht hatte sie Geld zur Seite gelegt. Oder vielleicht war sie einfach besser beim Betteln. Er hatte sie hier und da dabei beobachtet. Sie fragte nie direkt nach Geld, sondern sah ihren Zielpersonen nur in die Augen und sagte: »Gott vergelt’s.« Und häufig machten sie dann ein bisschen Geld locker.
Charlie behielt die Flasche und trank, es war gutes Zeug. Es wärmte ihn. Stieg in den Kopf. Als er mit der Flasche fertig war, folgte er Mag die Treppen zum Balkon des Motels hinauf.
Sie schloss die Tür zu Zimmer 210 auf und ging hinein. Charlie machte die Tür hinter sich zu. Mag drückte einen Schalter, und neben dem Bett ging eine Lampe an.
»Na«, sagte sie. »Is das nix?«
Charlie stand an der Tür und sah zu, wie sie im Zimmer umherging. Sie schien ausgesprochen vergnügt zu sein. Sie fand eine Weinflasche im Abfall und ließ die letzten Tropfen daraus in ihren Mund laufen. Auf dem Toilettentisch lag eine Packung Zigaretten. Sie nahm eine heraus, steckte sie zwischen die Lippen und zündete sie an. Sie ließ ihre Hände über das Bett gleiten. Dann nahm sie die Zigarette aus dem Mund, hob ein Kissen auf und rieb ihr Gesicht daran. Sie ging zu jedem Koffer und inspizierte, was darin war. Dann betrat sie das Badezimmer.
Von dort, wo er stand, konnte Charlie nicht sehen, was sie im Bad machte. Vielleicht hatte sie etwas Gutes gefunden. Er ging ein paar Schritte weiter, bis er sie durch die Tür sehen konnte.
Mags Mantel lag auf dem Boden. Sie knöpfte ihre Strickjacke auf. Die Zigarette hing im Mundwinkel, ein wenig Rauch stieg nach oben und geriet ihr ins Auge. Sie blinzelte. Dann zog sie die Strickjacke aus, ließ sie auf den Mantel fallen und begann, an den Knöpfen ihres alten karierten Rockes herumzufummeln.
»Was machst’n da?«, fragte Charlie.
»Kümmer dich um deinen eigenen Dreck.«
»Ich will wieder gehn.«
»Quatsch.«
»Ich werd’s verpassen!«
»Du hast es schon verpasst. Hör auf zu jammern.«
Sie hatte wohl recht. Selbst wenn sie jetzt sofort wieder zurückgingen, würde alles vorbei sein, bis sie wieder hinkamen. »Nicht fair«, murmelte er.
»Heut räumst du zum ersten Mal auf«, sagte Mag. »Solltest froh sein, dass es dich so lange nicht getroffen hat.«
»Blöde Furzer«, sagte Charlie.
Mag starrte ihn wütend an und zog
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