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Die Gang: Roman (German Edition)

Die Gang: Roman (German Edition)

Titel: Die Gang: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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liegend hinaus oder waren schon weit draußen in den schiefergrauen Wogen. Sie ließen die Beine baumeln und hockten dort, als wären sie damit zufrieden. Dann wurde ihre Aufmerksamkeit von den Surfern abgelenkt, als jemand die Haupttreppe von der Promenade hinunterkam. Eine Frau mit weißem Sweatshirt und roten Shorts, die eine große Tasche trug. Sie war weit von Robin entfernt.
    Dieselbe Treppe war Robin letzte Nacht hinuntergestiegen, und sie wunderte sich, wie weit sie gelaufen war.
    Der Junge an der Kartenbude hatte sie wirklich erschreckt; der Junge und seine Freunde, die noch nicht aufgetaucht waren. Es mussten Trolljäger gewesen sein. Warum sonst sollten sie sich zu dieser Stunde treffen? Robin drehte sich um und sah in die andere Richtung. Sie hatte einfach so viel Abstand wie möglich zwischen sich und den Jungen gelegt. Weniger als zwanzig Meter entfernt markierte ein Maschendrahtzaun das Ende des öffentlichen Strandes. Dahinter, weit vom Strand zurückgesetzt, stand ein Privathaus.
    Die Flut setzte jetzt ein und bedeckte das Ende des Zauns. Letzte Nacht hätte sie außen herumgehen können, ohne nasse Füße zu bekommen, und hinter dem Zaun Zuflucht suchen. Aber sie wollte sich nicht auf Privatgelände wagen.
    Ihr Platz in den Dünen war gut gewesen, dachte sie. Die Kids hatten sie hier nicht gefunden.
    Sie fragte sich, ob sie es versucht hatten.
    »Hallo! Ein schönes Mägdelein, ganz, wie man es sich wünscht.«
    Robin wirbelte herum. Der Mann stand oben auf der Düne neben ihrem Schlafplatz. Ein Penner. Fett und alt und mit dreckigen Klamotten, einen Knotenstock in der Hand. Sie spürte, wie sich ihre Eingeweide zusammenzogen, und überlegte, wie lange er sie wohl schon beobachtete. Hatte er sich versteckt gehalten, sie beim Anziehen beobachtet?
    »Professor E. A. Poppinsack«, sagte er und zog seinen Hut. Der Hut war ein ausgeblichener brauner Bowler. Rote Federn, auf beiden Seiten ins Hutband gesteckt, standen wie Flügel ab. Er war kahlköpfig, trug aber einen dicken Schnurrbart mit gezwirbelten Enden. Bekleidet war er mit einer schmutzigen Wildlederjacke, deren Fransen im Seewind schaukelten, und karierten Hosen, die eher zu einem Golfer gepasst hätten, der über das Grün spazierte, als zu einem Penner am Strand. »Ich wünsche dir den allerschönsten Morgen, meine Liebe. Ein wenig Tee?«
    Robin schüttelte den Kopf. »Tut mir leid«, sagte sie. »Ich habe keinen.«
    »Aber ich habe welchen. Trinkst du ihn mit mir, ja? Lass uns am Boden sitzen und uns traurige Geschichten von längst verstorbenen Königen erzählen.« Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte sich der Mann um und stieg von der Düne herunter. Er hielt seinen Knotenstock hoch. Die Spitze wirbelte kurz, als er selbst schon außer Sicht war.
    Komischer Vogel, dachte Robin. Aber sie mochte das lustige Zwinkern in seinen Augen. Und er machte eigentlich einen harmlosen Eindruck. Seine Aufmachung ließ ihn wie einen der Quacksalber aus alten Westernfilmen aussehen, die mit einem Planwagen in eine Grenzstadt kommen und Elixiere verkaufen.
    Neugierig folgte sie ihm über die Dünen. Sein Schlafplatz war direkt hinter ihrem, etwa fünfzehn Meter weiter den Strand hinauf, in einer Art Mulde, die von hohen Dünen umgeben war.
    »Willkommen auf meinem Besitz«, sagte Poppinsack. Er gestikulierte zu seinem aufgerollten Schlafsack hin, und Robin setzte sich darauf. Der alte Mann beugte sich über einen Propangasbrenner, auf dem ein Topf voll Wasser stand, und goss noch etwas Wasser aus einer Feldflasche hinein.
    »So gemütlich wie zu Hause«, sagte Robin.
    »In der Tat und unbehelligt von Widrigkeiten wie Hypotheken, Steuern, Versicherungen und Gebühren. Gott hat’s gegeben, Poppinsack hat’s genommen.« Er holte Teebeutel aus einer Tasche seiner Wildlederjacke, drehte die Flamme unter dem kochenden Wasser ab und warf die beiden Beutel hinein – zusammen mit den Fäden und Etiketten. »Sollen wir ihn ein wenig ziehen lassen?«, fragte er.
    Er ließ sich am Hang nieder. »Bist du ein Puck oder ein Pip?«
    »Ich heiße Robin.«
    »Ah, Robin, wie Robin Hood. Aber ein Weibchen, wie man sehen kann.«
    Diese Bemerkung verunsicherte sie. Vielleicht war dieser Mann doch nicht bloß ein harmloser Exzentriker.
    »Das erinnert mich an die Bücher über den Räuber aus dem Sherwood-Wald. Worte. Worte sind Poppinsacks Leidenschaft. Die Musik des Geistes. Sechsundzwanzig Buchstaben und daraus entsteht ein unendlich großes Reich.«
    »Ich schreibe

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