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Die Gang: Roman (German Edition)

Die Gang: Roman (German Edition)

Titel: Die Gang: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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»Neunzehn.«
    »Toll. Wie alt ist sein Kumpel?«
    Ihr fröhlicher Gesichtsausdruck geriet ins Wanken. »Ebenfalls. Nicht, dass das viel ausmacht. Ich glaube nicht, dass er je vor Gericht stehen wird.«
    »Er wird schon wieder werden.«
    Joan zuckte die Schultern, zwang sich zu lächeln und nahm noch einen Schluck. »Sein Name ist Woodrow. Ist das zu glauben? Woodrow Abernathy. Mit so einem Namen rennt er rum und trägt einen lila Irokesenschnitt wie irgendein Freak aus Mad Max . Hast du gesehen, wie er das Ohr des Jungen in den Mund steckte?«
    Dave nickte. Er beobachtete Joans Augen. Normalerweise zeigte sie einen zufriedenen, leicht amüsierten Ausdruck. Jetzt wirkte sie gestresst. Er sah Verwirrung in ihrem Blick und Schmerz und Angst.
    »Wenn Woodrow hungrig gewesen wäre, hätte er sich ja einen Hotdog kaufen können.«
    »Du hast ganz richtig gehandelt«, sagte Dave. Er tätschelte ihren Oberschenkel, nur um sie zu beruhigen, aber als er ihre weiche Haut berührte, wurde ihm plötzlich ganz heiß. Er zog seine Hand schnell zurück und legte sie auf sein eigenes Bein. »Der Kerl wusste genau, was er tat. Er wollte das Ohr kaputt machen.«
    »Schon mein erster Tritt hätte das verhindert.«
    »Er war immer noch bewaffnet.«
    »Ich hätte ihm das Messer abnehmen können. Ich hätte ihn nicht vernichten müssen.« Sie trank ihren Champagner aus, goss sich neuen ein und füllte auch Daves Glas wieder auf. »Ich hätte es nicht tun sollen«, murmelte sie.
    »Wahrscheinlich geht es ihm bald wieder gut. Wenn nicht, kannst du davon ausgehen, dass du andere gerettet hast. Seine nächsten Opfer.«
    »Ja, das habe ich mir auch schon gesagt. Scheiße.«
    »Hast du zum ersten Mal jemanden verletzt?«
    »Ich habe letztes Jahr einem Kerl das Schlüsselbein gebrochen. Hatte ihn wegen zu schnellen Fahrens angehalten, und er ging auf mich los. Aber das ist was ganz anderes, als einem Jungen das Hirn zu Brei zu schlagen.«
    »Das liegt am Streifenbezirk«, sagte Dave. »Ich habe mal einen umgebracht. Als ich noch im Los Angeles Police Department war. Bei einer Drogenrazzia. Der Kerl schoss aus einer Maschinenpistole in meine Richtung.«
    »Lieber Himmel!«
    »Das Tolle an den Dingern ist, wenn man sie zwei Minuten lang auf Automatik laufen lässt, sind sie leer geschossen. Das Schwein hat die Luft mit Blei vollgepumpt, aber bis er die Pistole in meine Richtung hielt, hatte er keine Munition mehr. Während er das Magazin wechselte, habe ich ihm die Brust durchlöchert.«
    »Lieber Himmel!«, sagte sie wieder.
    »Es war ein eindeutiger Fall von er oder ich, findest du nicht?«
    »Das würde ich sagen.«
    »Der Kerl war der letzte Dreck. Er hatte sein halbes Leben hinter Gittern verbracht – ein paar Jahre hier für bewaffneten Raubüberfall, ein paar Jahre da für Vergewaltigung, noch ein paar für Raub und schwere Körperverletzung. Mit achtzehn war er lange genug draußen, um einen Kerl umzulegen, der ihn bei einem Kokaindeal betrogen hatte, aber es gab nicht genug Beweise, und so wurde die Anklage fallen gelassen.«
    »Nicht gerade ein netter Mensch«, sagte Joan und sah wieder mehr wie sie selbst aus.
    »Überhaupt nicht nett. Und er versucht, mich mit einem verdammten Maschinengewehr umzumähen. Und ich mache ihn kalt, und die Schuldgefühle treiben mich fast in den Wahnsinn. Monatelang war nichts mehr mit mir anzufangen. Absolut unverständlich.«
    »Ich kann es verstehen. Jetzt jedenfalls.«
    »Deswegen bin ich hier gelandet. Ich dachte, eine kleine Stadt wäre friedlicher , weißt du. Und normalerweise ist das ja auch so. Es ist nicht L. A. Wie bist du hierhergekommen?«
    »Meine Familie ist umgezogen. Mom hat einen Dichter geheiratet, der mal auf einem Schriftstellerkongress hier draußen gewesen war und unbedingt wieder hierher wollte. Du weißt, dass es hier auch eine Künstlerszene gibt.«
    »Diese Stadt ist persönlichkeitsgestört«, sagte Dave.
    »Das hast du auch schon mitgekriegt? Downtown hält sich für etwas Besseres, und die Südstadt ist ein Mekka für Raufbolde.«
    »Und dann kommt noch die Marine dazu, damit es richtig schön bunt wird.«
    Er erinnerte sich, wie sie gestern mit den Seeleuten umgegangen war. »Warst du bei der Marine oder so?«
    »Mein Vater war Seemann. Er starb in Vietnam. Im Mekong-Delta. Er war Schütze auf einem Patrouillenboot.« Sie nahm noch einen Schluck Champagner. »Jedenfalls, Mom hatte diese Affäre mit dem Dichter und zog mit uns hierher. Das war vor drei Jahren. Ich habe ein

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