Die Gang: Roman (German Edition)
gefallen.
Er öffnete die Tür.
»Hallo, Tiger.«
Er lächelte breit. »Mein ganz privater Chuck Norris.«
»Ich habe dir eine Medizin gebracht«, sagte Joan und zog eine Flasche Champagner aus der Papiertüte, die sie an die Brust gedrückt hielt. Dave sah den Hals einer weiteren Flasche aus der Tüte ragen.
»Komm doch rein«, sagte er.
Sie zuckte mit einer Schulter. »Ich wollte nur das hier vorbeibringen. Normalerweise falle ich nicht so bei anderen Leuten ein.«
»Dann ändere deine Gewohnheiten ausnahmsweise einmal.« Er zog sie herein und schloss die Haustür. »Setz dich, mach es dir gemütlich. Ich zieh mir schnell was an.«
»Mach dir wegen mir keine Umstände.« Obwohl sie das in einem leichten, witzelnden Tonfall gesagt hatte, wurde sie rot.
»Bin gleich wieder da«, sagte er. Er eilte ins Badezimmer. Dort zog er sich an: Unterwäsche, Cordhosen, kariertes Hemd und Mokassins. Dann ging er ins Wohnzimmer.
Joan beugte sich über den Kaffeetisch und stellte die beiden Champagnerflaschen oben auf die platt gedrückte Papiertüte. Sie lächelte ihn an, richtete sich auf und rieb die Hände an den Seiten ihres Rockes sauber. Der Rock war sehr kurz. Er gehörte zu einem weißen Jeanskleid mit einem Reißverschluss an der Vorderseite. Der Reißverschluss war nicht ganz hochgezogen, und der Ausschnitt zeigte ein schmales V aus gebräunter Haut. Die Ärmel waren hochgerollt.
»Dein Kleid gefällt mir«, sagte Dave. »Wirst du dich später mit Harold treffen?«
»Da habe ich meine Zweifel. Ich hab das angezogen, um dich ein bisschen aufzumuntern.«
»Betrachte mich als aufgemuntert.«
Sie lachte. »Gut. Aktion erfolgreich beendet.«
Sie ging mit ihm in die Küche.
»Wie geht es dir?«, fragte sie. »Das ist ein ekliger Schnitt, den du da abgekriegt hast.«
»Es ist nicht so schlimm.« Wie um ihn Lügen zu strafen, brannte die Wunde schmerzhaft, als er in einem Hängeschrank nach den Weingläsern suchte. Er zog eine Grimasse.
Joan legte die Hand auf seine Schulter. »Streng dich besser nicht so an, Junge.«
»Ich frage mich, wie es den anderen geht.«
»Ich bin gerade mal im Krankenhaus vorbeigefahren.« Joan nahm die Gläser und ging wieder ins Wohnzimmer. »Für Willis stand es einige Zeit auf der Kippe, aber er wird es schaffen. Wahrscheinlich können sie auch das Ohr des Jungen retten. Es ist ein bisschen angeschlagen, aber wieder an seinem Kopf.«
»Das hat er deinem blitzschnellen Tritt zu verdanken«, sagte Dave und versuchte nicht einmal, den bewundernden Unterton zu unterdrücken. »Du hast diesen Kerl geschafft .«
Joan drehte sich um und sah ihn an. Ein Mundwinkel zitterte ein wenig. »Das denken die Ärzte auch.«
»Machst du Witze?«
»Er ist immer noch nicht bei Bewusstsein.«
»Wird er wieder werden?«
»Das wissen sie nicht.«
»Du lieber Gott!«
»Ja, das ist Pech. Los, lass uns was trinken. Setz dich.«
Dave ließ sich vorsichtig auf dem Sofa nieder. Er lehnte sich in die weichen Polster zurück und beobachtete, wie Joan die Folie von einer der Flaschen entfernte. »Der Korken ist nicht aus Plastik«, sagte er. »Muss gutes Zeug sein.«
»Der Beste aus dem Supermarkt.« Sie zog die Drahthaube ab und ließ sie auf den Tisch fallen. Dann klemmte sie sich die Flasche unter den Arm und begann, den Korken zu lockern. »Hast du irgendwelche Vasen geerbt, auf die ich zielen soll?«
»Versuch einfach, nicht mich zu treffen.«
Sie zielte mit dem Korken in eine andere Richtung und öffnete die Flasche. Mit einem lauten Plopp schoss der Korken heraus, flog durch das Zimmer und landete auf einem Schaukelstuhl. Ein wenig weißer Dampf kam aus dem Flaschenhals, aber kein Schaum.
»Gut hingekriegt«, sagte Dave.
Joan füllte die Gläser. Eines gab sie Dave, das andere nahm sie sich selbst und setzte sich neben ihn. »Trinken wir auf schnelle Reflexe und die Rettung in letzter Minute«, sagte sie.
»Darauf trinke ich.«
Sie stießen an und tranken. »Wirklich gut«, sagte Dave.
»Ich hätte beinahe einen Sechserpack genommen, aber dann dachte ich, was soll’s. Wir haben es nicht jeden Tag mit zwei Messer schwingenden Schurken zu tun. Das schreit nach einer kleinen Feier.«
»So ist es. Wie geht es meinem Messerstecher?«
»Sein Arm wird wieder so gut wie neu sein, wenn er aus dem Gefängnis kommt. Das könnte aber noch zehn Jahre dauern – wenn Willis nicht durchkommt.«
»Er fällt nicht mehr unter die Gesetze für Jugendliche?«
Joan zog die Augenbrauen hoch.
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