Die Gang: Roman (German Edition)
ab, bis dir ein Troll begegnet.« Sie suchte in einer Kängurutasche auf dem Bauch ihres Trainingsanzugs herum, holte eine Karte heraus und reichte sie Jeremy. »Dann gibst du ihm das hier.«
»Oder ihr«, fügte Randy hinzu, »falls der Troll weiblichen Geschlechts sein sollte.«
Jeremy hielt die Karte dicht vor seine Augen. Die handgeschriebene Botschaft war groß und deutlich zu lesen. » LIEBER TROLL, GRÜSSE VOM GROSSEN GROBEN GRIES GRAM BILLY. «
Obwohl er beunruhigt war, musste Jeremy grinsen. »Pas send«, meinte er.
»Unsere Visitenkarte«, erklärte Tanya.
»Die meisten von diesem Geschmeiß können sowieso nicht lesen«, sagte Samson, »aber wir halten es irgendwie für cool.«
»Ja. Gefällt mir.« Er steckte die Karte in die Jackentasche. »Ich gebe sie also dem Troll, und was dann?«
»Du gibst uns ein Zeichen.« Tanya holte eine Trillerpfeife aus ihrem Ausschnitt, zog die Kette über den Kopf und reichte sie Jeremy. »Einfach kurz pfeifen.« Er schloss seine Hand um die Pfeife. Sie fühlte sich warm an, es war Tanyas Wärme. Sie war unter dem Sweatshirt auf ihrer Haut gewesen. Er stellte sich die Pfeife vor, wie sie dort hing, an der Kette hin- und herschaukelte, wenn Tanya sich bewegte, und gegen ihre weichen, nackten Brüste stieß.
»Dann musst du nur noch dafür sorgen, dass der Troll nicht abhaut, bis wir da sind«, sagte Tanya.
Er nickte, achtete aber wenig auf ihre Worte, während er die Kette um seinen Hals legte und die Trillerpfeife in sein Hemd steckte. Jetzt lag sie an seiner nackten Haut.
»Noch Fragen?«
»Wie?«
»Bist du bereit?«
»In welche Richtung soll ich gehen?«
»Such dir eine aus.«
Er wandte sich nach Süden, denn das war der Bereich der Promenade, den er am besten kannte. Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Jemand gab ihm einen Klaps auf den Po (das gefiel ihm, und er fragte sich, wer das wohl gewesen war, aber er drehte sich nicht um). Ein paar Stimmen wünschten ihm viel Glück.
Dann ging er allein die Promenade entlang.
Er hob die Hand und drückte die Trillerpfeife an die Brust. Er dachte noch einmal daran, wo sie vorher gewesen war. Dann fiel ihm ein, dass sie noch mehr als Tanyas Brüste berührt hatte. Sie hatte die Pfeife nicht nur getragen, sondern sie auch benutzt – vielleicht während ihres Dienstes als Rettungsschwimmerin, vielleicht vor ein paar Nächten, um die Trolljäger zu sich zu rufen. Sie war in ihrem Mund gewesen, zwischen ihren Lippen, ihr warmer Atem war durch sie hindurchgegangen, ihr Speichel hatte sie benetzt, ihre Zunge sie berührt.
Jeremy nahm die Trillerpfeife aus seinem Hemd. Er steckte sie in den Mund. Konnte er Tanya schmecken? Die Pfeife schien nicht anders zu schmecken als ein leerer Löffel. Aber trotzdem, zu wissen, dass sie ihre Haut und ihren Mund berührt hatte …
Das tiefe, einsame Tuten eines Nebelhorns tönte durch die Nacht und unterbrach ihn, wie ein Wecker einen Traum unterbricht. Der Zauber der Trillerpfeife war verschwunden. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er allein auf der Promenade war, als Köder für einen Troll.
Ihm wurde kalt. Er spürte, wie sein Penis wieder schlaffer wurde und sich zusammenzog, als wollte er sich verstecken.
Er blickte über die Schulter, sah aber nur ein paar Meter der Promenade, das Geländer auf einer Seite und eine Spielbude auf der anderen. Die Bude war eine verschwommene Form im Nebel. Von der Gruppe war nichts zu sehen.
Er blieb einen Moment stehen und horchte. Die Nacht schien verdächtig still, als würde der Nebel nicht nur die Sicht behindern, sondern auch noch die Geräusche ersticken.
Er wünschte, er könnte sie dort hinten reden hören. Aber sie müssen still sein, dachte er, damit die Trolle sie nicht hören können.
Vielleicht war er außer Hörweite.
Vielleicht waren sie weggegangen.
Das würden sie nicht tun, sagte er sich.
Aber was, wenn das ein Teil der Einweihung ist? Sie schicken mich alleine los, und ein Troll kommt, und ich pfeife, und – Überraschung! – ich bin und bleibe allein.
Das wäre dann wirklich eine Einweihung.
Würden sie mir das antun?
Sicher. Warum nicht. Darum geht es ja bei Einweihungen. Den Neuen reinlegen. Ihn verarschen. Sehen, ob er damit fertig wird.
Ich werde damit fertig.
Ich zeige es ihnen.
Er ging weiter. Er kniff die Augen zusammen, um tiefer in den Nebel sehen zu können. Die Planken der Promenade wirkten feucht. Rechts von ihm war eine Bank – leer, Gott sei Dank. Dahinter sah er die geisterhaften, mit
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