Die Gang: Roman (German Edition)
mehr Angst davor, dass jemand aus dem Nebel kommen würde. Vielleicht nicht Poppinsack. Vielleicht zwei oder drei sabbernde, verrückte Trolle. Jetzt waren sie gerade noch außer Sicht. Wenn sie noch einen Augenblick hier oben blieb, würden sie in Sicht kommen und sie entdecken.
Robin wirbelte herum, rannte hinunter in die Senke und sank auf ihre Schlafsackrolle.
Das ist doch lächerlich, sagte sie sich. Ich rede mir selbst Angst ein. Da draußen ist niemand.
Jeder könnte da draußen auf sie warten.
Und wenn sie zum Schlafen in den Schlafsack gekrochen war, konnte sich jeder anschleichen.
Was, zum Teufel, mache ich hier?
Daraus kann doch nichts Gutes werden. Wenn Poppinsack jetzt aufkreuzt, bekomme ich vielleicht etwas von meinem Geld zurück, vielleicht auch nicht. Einer von uns wird dabei verletzt werden. Im besten Fall wird er es sein. Und dann habe ich ihn auch noch auf dem Gewissen. Statt nur dem einen Mann in der Busstation würde es dann zwei Kerle geben, die ich lieber nicht verletzt hätte. Selbst wenn ich all mein Geld zurückbekomme, ist das nicht die Schuldgefühle wert.
Bei dem Kerl in der Busstation hatte ich immerhin keine Wahl. Er hat mich angegriffen. Diesmal hätte ich es mir selbst ausgesucht.
Vergiss es.
Sie fühlte sich plötzlich, als sei eine gewaltige Last von ihr genommen.
Sie schnallte den Schlafsack an den Rucksack, schulterte ihn, nahm den Banjokasten und kletterte wieder die Düne hinauf. Obwohl sie sich genau umsah, um sicher sein zu können, dass sich niemand näherte, beschwor ihre Fantasie keine Schattengestalten mehr herauf. Sie fühlte sich nicht mehr so ausgesetzt und verwundbar. Sie zog über die Sandhügel nordwärts. Bald kam sie zu dem Maschendrahtzaun, der die Grenze des öffentlichen Strandes markierte, und folgte ihm in Richtung der Brandung. Der Sand wurde glatter und härter unter ihren Stiefeln. Der schwarze Ozean kam in Sicht.
Es war Ebbe, und sie bekam keine nassen Füße, als sie um den Zaun herumging.
Jetzt war sie auf Privatgelände und fühlte sich außer Reichweite der Trolle – und der Trolljäger, obwohl die im Moment ihre geringste Sorge darstellten. Die Trolljäger waren immerhin vernünftige Menschen und keine Verrückten.
Sie ging in Richtung des Hauses und sah es bald aus dem Nebel auftauchen. Die Fenster waren dunkel.
Das Haus stand auf Pfählen.
Neben der Eingangstreppe hockte sie sich hin und starrte in die Dunkelheit zwischen den Pfählen. Es sah nach einem gemütlichen Platz aus, wo man die Nacht verbringen konnte.
Sich so unter jemandes Haus zu schleichen war illegales Eindringen. Und man könnte sie entdecken, wenn sie am Morgen herauskam.
Robin stellte fest, dass ihr das eigentlich gleichgültig war.
Es war nur noch wichtig, einen abgelegenen Platz zu finden, wo sie sicher schlafen konnte.
Sie ließ sich auf alle viere nieder, kroch in die Dunkelheit und zog dabei ihr Banjo hinter sich her.
18
Jeremy blieb unter dem matt beleuchteten, grinsenden Clownsgesicht stehen. Er sah niemanden in der Nähe – nur die tiefe Dunkelheit unter dem Torbogen des Haupteingangs zu Funland, die nicht ganz so schwarze Dunkelheit auf der Promenade und den Nebel, der wie ein bleicher Vorhang hinter dem Geländer zum Strand hing. Er blickte auf die beleuchteten Ziffern seiner Armbanduhr: 12.58.
Er war zwei Minuten zu früh.
Wahrscheinlich lag Cowboy immer noch im Krankenhaus. Jeremy war zwar nervös, weil er die anderen ohne Cowboys moralische Unterstützung treffen sollte, aber sein Bedürfnis, Tanya zu sehen, war so unwiderstehlich, dass er sich trotzdem entschlossen hatte, zu kommen.
Vielleicht würde es heute Nacht ja keine Trolljagd geben, dachte er mit einer Mischung aus Hoffnung und Bestürzung.
Als er an der Kartenbude vorbeikam, fasste eine Hand seine Schulter und zerrte ihn herum. Ein großer Kerl griff nach seiner Jacke und zog ihn daran auf die Zehenspitzen hoch.
»Ist in Ordnung.« Tanyas Stimme.
Der Kerl setzte ihn ab.
Von der Seite kam ein Mädchen, dem ein paar andere Teenager folgten. Sie trug einen dicken Trainingsanzug, und ihr Gesicht war von Schatten verdeckt, aber Jeremy konnte an ihrer Größe und an dem hellen Haar erkennen, dass es Tanya war.
»Ich dachte nicht, dass du auftauchen würdest«, sagte sie.
»Ich wusste nicht, ob ich sollte«, sagte er und wünschte, seine Stimme würde nicht so dünn klingen. »Aber ich war letzte Nacht hier und … hast du von dem Kampf gehört? Ich und Cowboy …«
»Wir haben
Weitere Kostenlose Bücher