Die Gang: Roman (German Edition)
alle in Sichtweite, außer Randy und diesem Miststück Karen. Es musste Tanya sein. Die Bude war über zwei Meter hoch. Samson hatte ihr wohl hochgeholfen.
Als er zu ihr hinsah, hörte er eine undeutliche Männerstimme.
Der Troll?
Dem Klang nach zu urteilen musste er in der Nähe sein. »Und wer hat Robin beklaut?«, intonierte er. »Wer hat sie reingelegt? ›Ich war’s‹, werde ich sagen, ›und ihr sollt den Helden unter dem Namen … Poppinsack kennen.‹ Er lebt in seinem Königreich am Meer.«
Shiner, die immer noch Jeremys Hand hielt, schlich weiter an der Wand entlang. Jeremy blieb neben ihr. Er lehnte sich nach vorne, spähte an ihr vorbei und sah, wie der Mann auf den Schatten unter dem Torbogen zustolperte.
Ein fetter alter Kerl, der einen merkwürdigen Hut mit Federn und eine Fransenjacke trug. Er hatte einen Wanderstock in der einen und eine Reisetasche in der anderen Hand.
»Pinkeln, pissen, sich erleichtern«, deklamierte der Mann und drehte sich zur Wand.
Er hörte sich für Jeremy wie ein betrunkener Schauspieler an, mit einer Stimme wie Richard Burton in dem Hamlet -Film, den er letztes Jahr im Englischunterricht gesehen hatte.
Jeremy hörte ein Plätschern.
Der Kerl pinkelte in den Eingang, keine drei Meter von Liz und Nate entfernt.
Immerhin hat das alte Dreckschwein uns den Rücken zugekehrt, dachte Jeremy. Aber er spürte, wie er rot wurde. Er wünschte, Shiner wäre nicht hier, um das mit anzusehen.
»Und damit gelingt es uns vielleicht, dies Land zu überfluten und die Wurzeln von Satans Bart zu bewässern. Was für ein hübsches Ding! Vielleicht sollte die kleine Robin heute Nacht dieses Ding einmal kennenlernen? Diesen Stab des Lebens?«
Das Plätschern hörte auf.
Shiner drehte sich um. Sie lächelte Jeremy an. Er zog eine angeekelte Grimasse, war aber nicht sicher, ob sie es sehen konnte.
Der alte Troll wandte sich wieder von der Wand ab.
Jeremy war froh, zu sehen, dass nichts aus seiner Hose hing.
Was ihn weniger glücklich machte, war, dass der Troll in einem Winkel am Eingang vorbeilief, der ihn direkt auf ihn und Shiner zuführte.
»Hallo, hallo! Eine geeignete Nacht, um unterwegs zu sein. Zu einem Mädchen, einer Dame, einer Mieze, einer Muschi. Mit anderem Namen eine Rose. Wachse, meine Rose, oder bleib unten für immer!«
Er geriet ins Schwanken, warf einen Arm nach oben und fing sich wieder an der Wand der Kartenbude.
»Volldampf voraus! Ich bin der uralte Seefahrer! Ein Albatros. Es fällt mir zu, diese Historie jedem zu berichten, der sie hören mag. Und wer auch immer diese Geschichte hören wird, den mag keine Furcht befallen. Und wer auch …«
Tanya sprang vom Dach der Kartenbude.
Sie fiel, mit den Füßen voraus. Den Körper leicht gebeugt. Die Arme ausgebreitet. Der Trainingsanzug flatterte. Helles Haar wehte im Wind.
Jeremy hörte das Geräusch, als ihre Sohlen auf den Schultern des Trolls landeten. Er hörte einen überraschten Schmerzensschrei.
Die Knie des alten Mannes knickten ein, und er stürzte vor. Tanya sprang von seinen Schultern, als wären sie ein Sprungbrett. Sie landete auf den Füßen und machte ein paar stolpernde Schritte, um das Gleichgewicht zu halten. Der Troll lag flach auf dem Boden.
»Holen wir ihn uns«, flüsterte Shiner. Sie zog Jeremy an der Hand von der Bude weg. Neben ihr rannte er auf den liegenden Penner zu.
Shiner trat zweimal zu. Jeremy machte weiter und verpasste ihm einen Tritt in die Seite. Dann kamen die anderen. Samson warf die Reisetasche aus dem Weg, und dann rollten sie den Penner auf den Rücken. Er schien zu verblüfft zu sein, um sich zu wehren. Hände fassten nach seinen Hand- und Fußgelenken und streckten ihn aus. Heather trat ihn in den Bauch, Randy, der den Wanderstock des Trolls gefunden hatte, schlug ihn damit über die Brust und traf dabei beinahe Liz’ Hand.
Keuchend entwand der Troll eine Hand aus Shiners Griff. Seine Faust traf sie an der Brust und schleuderte sie rückwärts. Jeremy packte das Handgelenk. Die Hand öffnete sich. Er griff sich den Mittelfinger und bog ihn zurück, bis er brach und der Troll vor Schmerz schrill aufschrie.
Liz knallte ihm den Ellbogen gegen die Brust, gleich unterhalb des Halses.
Karen trat ihm zwischen die Beine.
Sein Kopf zuckte nach oben. Samson boxte ihn zwischen die Augen, und der Kopf fiel wieder nach unten und krachte aufs Holz.
Er wurde schlaff.
»Okay«, sagte Tanya. »Das reicht. Heben wir ihn auf.« Jeremy half dabei. Der alte Mann schien eine
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