Die Gateway-Trilogie: Mit einem Vorwort von Jack Vance (German Edition)
mit einem kleinen, unklaren Übergangspunkt, der ein wenig verschwommen ist. Nennen wir ihn Punkt X.«
»Wirst du mir sagen, was ›Punkt X‹ ist, Liebes?«
»Halt den Mund, Tom! Hör zu! Vor Punkt X war das Universum praktisch zu einer winzigen Kugel zusammengepresst, mit einem Durchmesser von nicht mehr als ein paar Kilometern, superdicht, superheiß, so zusammengequetscht, dass es keine Struktur besaß. Dann explodierte es. Es begann sich auszudehnen – bis hin zum Punkt X, und dieser Teil ist ziemlich klar. Kannst du mir so weit folgen, Tom?«
»Ja, Liebste. Das ist im Grunde einfache Kosmologie, nicht?«
Pause.
»Pass nur auf«, sagte Henriettas Stimme schließlich. »Nach Punkt X begann es sich weiter auszudehnen. Während der Ausdehnung begannen kleine Stücke ›Materie‹ zu kondensieren. Zuerst kamen Atomteilchen, Hadronen und Pionen, Elektronen und Protonen, Neutronen und Quarks. Dann ›echte‹ Materie. Echte Wasserstoffatome, dann sogar Heliumatome. Das explodierende Gas wurde langsamer. Turbulenzen zerrissen es in riesige Wolken. Schwerkraft zog die Wolken zu Haufen zusammen. Während sie schrumpften, löste die Hitze der Zusammenziehung Kernreaktionen aus. Sie glühten. Die ersten Sterne entstanden. Der Rest«, sagte sie abschließend, »ist das, was wir jetzt ablaufen sehen.«
Das Programm reagierte auf sein Stichwort.
»Das sehe ich, Henrietta, ja. Über welche Zeiträume sprechen wir da?«
»Ah, gute Frage«, sagte sie mit einer keineswegs lobenden Stimme. »Vom Beginn des Urknalls bis zu Punkt X drei Sekunden. Von Punkt X bis jetzt ungefähr achtzehn Milliarden Jahre. Und da haben wir’s.«
Das Programm war nicht auf Sarkasmus eingestellt, aber die tonlose, metallische Stimme klang jetzt fast sarkastisch. Es tat sein Bestes.
»Danke, meine Liebe«, sagte es, »und willst du mir jetzt klarmachen, was an Punkt X so besonders ist?«
»Ich würde es dir sagen, mein Liebling Tomasino«, antwortete sie liebevoll, »nur bist du nicht mein Liebling Tomasino. Dieser Arsch hätte kein Wort von dem verstanden, was ich eben gesagt habe, und ich lasse mich ungern anlügen.«
Und gleichgültig, was das Programm versuchte, nicht einmal, als Robin Broadhead die Täuschung fallen ließ und sie direkt ansprach, war Henrietta noch einmal dazu zu bewegen, sich zu äußern.
»Zum Teufel damit!«, meinte Broadhead schließlich. »Wir haben genug Material, um uns ein paar Stunden lang den Kopf zu zerbrechen. Wir brauchen nicht achtzehn Milliarden Jahre zurückzugehen.« Er drückte auf die Auswurftaste am Prozessor und nahm entgegen, was herauskam: das dicke, weiche Lumpenband, das alles aufgefangen hatte, was von Henrietta gekommen war. Er schwenkte es.
»Dafür bin ich hergekommen«, sagte er grinsend. »Und jetzt, Paul, kümmern wir uns um Ihr kleines Problem, dann fliegen wir heim und geben unsere Millionen aus.«
Im tiefen, ruhelosen Schlaf des Ältesten gab es keine Träume, aber Irritationen.
Die Irritationen kamen schneller und schneller, immer drängender. Von dem Zeitpunkt an, als die ersten Gateway-Prospektoren aufgetaucht waren, bis dahin, als er den letzten von ihnen abgeschrieben hatte (wie er glaubte), nur ein Lidschlag – eigentlich nicht mehr als einige Jahre. Und bis die Fremden und der Junge gefangen genommen wurden, kaum ein Herzschlag; und bis er wieder geweckt wurde, um zu hören, dass die Frau entflohen war, gar keine Zeit – überhaupt keine! Sogar kaum Zeit für ihn, Sensoren und Nervenendorgane abzuschalten und sich auszuruhen, und nun gab es immer noch keinen Frieden. Die Kinder waren in Panik und streitsüchtig. Es war nicht ihr Lärm allein, der ihn störte. Lärm konnte den Ältesten nicht wecken, nur physischer Angriff oder direktes Ansprechen. Das Aufreizendste an diesem Tumult war, dass er nicht wirklich an ihn gerichtet zu werden schien, sondern nur zum Teil. Es war eine Debatte – ein Streit; einige angstvolle Stimmen verlangten, dass man ihm sofort etwas mitteile, ein paar noch ängstlichere sprachen sich dagegen aus.
Und das war nicht korrekt. Eine halbe Million Jahre lang hatte der Älteste seinen Kindern Manieren beigebracht. Wenn er gebraucht wurde, musste man ihn ansprechen. Er durfte nicht aus unwichtigen Gründen geweckt werden und ganz gewiss nicht durch Zufall. Vor allem jetzt nicht. Vor allem dann nicht, wenn jedes anstrengende Erwachen sein Gefüge immer stärker strapazierte und der Zeitpunkt absehbar war, an dem er überhaupt nicht mehr
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