Die Gateway-Trilogie: Mit einem Vorwort von Jack Vance (German Edition)
in Worte zu kleiden? Hilft dir das irgendwie weiter, Robin?«
Ich räusperte mich. »Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen, Sigfrid.«
»Und? Das, was du sagen willst? Kannst du es jetzt aussprechen?«
Ich wagte den Sprung ins kalte Wasser. »Gottverdammt noch mal! Natürlich kann ich! Ganz einfach! Sieht doch jeder! Ich werde gottverdammt beschissen alt!«
So ist es am besten. Wenn einem etwas nicht leicht über die Lippen geht, einfach ausspucken! Das war eine der Erfahrungen, die ich in längst vergangenen Zeiten gemacht hatte, als ich Sigfrid dreimal die Woche meine Seelenschmerzen vortrug. Es klappt immer. Sobald ich es ausgesprochen hatte, fühlte ich mich entschlackt – nicht wohl, nicht glücklich, nicht so, als ob das Problem gelöst wäre; aber dieser Klumpen von miesem Gefühl war ausgeschieden. Sigfrid nickte. Er betrachtete den Stift zwischen seinen Fingern und wartete, dass ich weitermachte. Ich wusste jetzt, dass ich es schaffen würde. Das Schlimmste lag hinter mir. Das Gefühl kannte ich. Ich erinnerte mich sehr gut daran aus früheren und stürmischen Sitzungen.
Nun bin ich nicht mehr die Person, die ich damals war. Der damalige Robin Broadhead war von Schuldgefühlen zerfressen, weil er eine Frau, die er liebte, sterbend zurückließ. Jetzt waren diese Schuldgefühle längst gemildert – weil Sigfrid mir geholfen hatte, sie zu überwinden. Der damalige Robin Broadhead hielt von sich selbst so wenig, dass er nicht glauben konnte, irgendjemand anders könnte eine gute Meinung von ihm haben. Daher hatte er auch wenig Freunde. Ich aber habe jetzt – genau weiß ich es nicht – Dutzende. Hunderte! (Von einigen werde ich Ihnen berichten.) Der damalige Robin Broadhead konnte keine Liebe akzeptieren. Seither habe ich ein Vierteljahrhundert die beste Ehe geführt, die man sich nur vorstellen kann. Ich war damals ein ganz anderer Robin Broadhead.
Aber einige Dinge hatten sich ganz und gar nicht verändert. »Sigfrid«, gestand ich. »Ich bin alt. Ich werde eines Tages sterben. Weißt du, was mir den Korken raushaut?«
Er schaute von seinem Stift auf. »Was ist das, Robin?«
»Ich bin noch nicht erwachsen genug, um so alt zu sein.«
Er spitzte die Lippen. »Würdest du mir das näher erklären, Robin?«
»Ja«, erwiderte ich. »Werde ich.« Und wirklich ging der nächste Akt ganz leicht über die Bühne. Schließlich hatte ich – da kann man sicher sein – sehr viel über diese Sache nachgedacht, ehe ich Sigfrid aufrief. »Ich glaube, dass es mit den Hitschi zu tun hat«, sagte ich. »Lass mich ausreden, ehe du mir vorhältst, dass ich verrückt bin. Wie du dich erinnerst, war ich einer aus der Hitschi-Generation. Als Kinder hörten wir dauernd von den Hitschi, die alles hatten, was menschlichen Wesen fehlte, die alles wussten, was menschliche Wesen nicht wussten …«
»Die Hitschi waren nicht ganz so überlegen, Robin.«
»Ich rede davon, wie es uns Kindern vorgekommen ist. Sie waren Furcht einflößend, weil wir uns gegenseitig damit drohten, dass sie zurückkommen und uns holen würden, und weil sie uns in allen Dingen so weit voraus waren, dass wir gegen sie keine Chance hatten. Ein bisschen wie der Nikolaus. Ein bisschen wie diese irren perversen Sittenstrolche, vor denen uns unsere Mütter immer warnten. Ein bisschen wie Gott. Verstehst du, was ich sagen will, Sigfrid?«
Seine Antwort kam vorsichtig. »Ich kann diese Gefühle erkennen. Ja. Solche Empfindungen sind in der Analyse bei vielen Leuten deiner Generation und auch noch später festgestellt worden.«
»Genau! Und ich erinnere mich an etwas, das du einmal von Freud erzählt hast. Er behauptete, dass kein Mann wirklich erwachsen werden könne, solange sein Vater noch lebt.«
Hier ist wieder Albert Einstein. Ich halte es für besser, richtig zu stellen, was Robin über Gelle-Klara Moynlin sagt. Sie war zusammen mit ihm Prospektor auf Gateway, und er liebte sie. Gemeinsam mit anderen Prospektoren wurden die beiden in einem Schwarzen Loch eingeschlossen. Es war möglich, einige auf Kosten der anderen zu befreien. Robin kam heraus. Klara und die anderen nicht. Dies mag ein glücklicher Zufall gewesen sein. Vielleicht hatte sich auch Klara selbstlos geopfert, um ihn zu retten. Vielleicht war aber auch Robin in Panik geraten und hatte sich zum Nachteil der anderen in Sicherheit gebracht. Selbst jetzt gibt es keine Möglichkeit, das zu entscheiden. Aber Robin war »schuld-süchtig«. Jahrelang belastete ihn das Bild Klaras
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