Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
würde sie seine starken Tritte fühlen. Sie legte das Gebäck aus der Hand, und einen Moment lang glaubte sie, Wiboradas strenge Blicke auf sich zu spüren. Morgen würde sie beichten gehen. Wieder dachte sie an Salomo, ihren Freund und einstmaligen Abt. Sie sah zu ihm hinüber und erschrak. Ein Mann, seiner Kleidung nach einer der Reisigen, die in seinem Dienst standen, war unbemerkt eingetreten und redete leise auf ihn ein. Wendelgard berührte den Arm ihres Mannes und zeigte mit dem Finger auf die Gruppe. Udalrich runzelte die Stirn und beugte sich vor, aber durch den Lärm in der Halle war es unmöglich, die leise geführte Unterhaltung zu verstehen.
»Das ist doch …« Burchards Stimme dröhnte und brach sofort wieder ab. Er sprang auf. Auch der König und Salomo erhoben sich. Mit kurzen Worten bat der Fürstbischof die Gäste, sitzen zu bleiben und das Fest zu genießen. Sein Blick streifte Udalrich, er nickte kurz. Auch der Graf stand auf. Wendelgard machte eine rasche Bewegung, aber ihr Mann legte ihr die Hand auf die Schulter und drückte sie auf ihren Platz zurück. »Du bleibst hier!«
»Aber …«
»Keine Widerrede, Frau!«, befahl er und folgte Salomo, ohne auf ihr betroffenes Gesicht zu achten. Auf dem Flur gelang es ihm, den Bischof einzuholen. »Was gibt es?«
Salomo drehte sich um, und der Graf erschrak, wie grau und müde sein Gesicht selbst in der Dunkelheit wirkte. »Streit unter den Knechten«, sagte er knapp.
»Wegen …« Udalrich winkte verstohlen zum König hinüber, der mit eiserner Verbissenheit sein Hinken unterdrückte und mit Burchard Schritt hielt.
»Davon ist auszugehen. Udalrich, Ihr seid hier, weil ich jemanden brauche, der gegebenenfalls mäßigend eingreift.«
»Burchard …«
»Ist zu betrunken«, schloss Salomo trocken. »Er verbirgt es gut, aber lasst Euch nicht täuschen. Ich zähle auf Euch.«
Udalrich konnte nur noch nicken, denn in diesem Augenblick betraten sie den Innenhof. Salomo stieß eine leise Verwünschung aus, die aber von wütenden Schreien und Waffengeklirr verschluckt wurde.
Der rote Fackelschein beleuchtete eine wüste Szene. Zwei Männer hieben mit blanken Schwertern aufeinander ein, während die anderen sie umringten und mit erhobenen Fäusten anfeuerten. Die Gesichter der Kämpfer waren von Hass verzerrt.
»Aufhören!«, brüllte Burchard, doch nicht einmal seine Stimme konnte den Lärm übertönen. Ehe jemand ihn zurückhalten konnte, hatte er die Nächststehenden beiseite geschleudert, einem riss er das Schwert aus der Hand. Seine hellen Augen waren unnatürlich geweitet, als er sich zwischen die Kämpfenden warf. Mit wenigen Hieben konnte er die beiden Männer auseinander treiben, dann drosch er seinem eigenen Kriegsknecht die geballte Linke ins Gesicht. Der Mann stolperte und landete auf allen Vieren auf dem schmutzigen Boden. »Kennst du kein Gastrecht, du Hund! Wie kannst du wagen, mich derart zu entehren!«, brüllte der Herzog und drückte dem Mann die Schwertspitze gegen die Kehle.
Der wich zurück. Sein Atem ging keuchend, aber er sah eher wütend als ängstlich aus. »Herr, Vergebung«, stieß er hervor, »aber nicht wir haben das Gastrecht gebrochen. Dieser verfluchte Sachse hat Euch einen Mörder genannt!« Er machte eine Geste, als wolle er aufspringen, nur das Schwert des Herzogs hinderte ihn daran.
»Lüg nicht!«
»Es ist keine Lüge, Herr. Es war von einem Mordanschlag die Rede. Während der Jagd! Und dass Ihr dahintersteckt!«
Burchard stieß einen wütenden Schrei aus.
Sofort war der König an seiner Seite und legte ihm schwer die Hand auf den Arm. »Ist das wahr?«, fragte er den Kriegsknecht. Im Gegensatz zu der rasenden Wut des Herzogs wirkte seine Ruhe noch bedrohlicher.
Der Schwabe schluckte, aber er nickte. »Ja, Herr.«
»Du!«
Auch der sächsische Krieger sank auf die Knie. Blut sickerte aus einem Schnitt über seinem Auge. Er wischte es mit dem Handrücken fort und betrachtete es trotzig.
»Ist es wahr, was er sagt?«
»Es sind Schwaben. Jeder weiß, dass die …«
Ohne seine Linke vom Arm des Herzogs zu nehmen, versetzte der König dem Mann zwei scharfe Ohrfeigen. »Genug! Du hast meine ausdrücklichen Befehle missachtet. Leute wie dich kann ich in meinem Dienst nicht brauchen. Verschwinde!«
Der Mann wurde bleich. Er stammelte etwas, aber der König hatte sich bereits abgewandt. »Der Zwischenfall tut mir leid, Herzog«, sagte er zu Burchard.
Der Schwabe schüttelte die Hand seines Königs ab.
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