Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
du kein Bauer, aber welcher Edelmann gibt sich für diese Tat her?«
Er stand auf und klopfte das feuchte Laub von seiner Kutte. Sein Blick wanderte den Baumstamm empor. »Ein Seiltänzer? Einer, der auf solche Bäume kommt und wieder herunter, ohne sich den Hals zu brechen. Und du hast den Weg des Königs gekannt. Woher wusstest du, dass der König hier jagen würde?« Er unterbrach sein leises Selbstgespräch jäh, da ihm bewusst wurde, in welche Richtung seine Gedanken gingen. Ein Mörder aus dem Umfeld des Königs, das würde dem Fürstbischof gar nicht gefallen. Er dachte an die Sorgenfalten auf Salomos Stirn, als Udalrichs Name gefallen war. Ein Mörder aus dem Umfeld des Königs!
»Verflucht!«, hauchte Eckhard und schlug das Kreuz. Er zwängte sich am Baumstamm vorbei ins Unterholz, fand aber keine Spur eines Pferdes oder gar das Pferd selbst. »Denk logisch!«, befahl er sich. »Wie hat Graf Udalrich wissen können, dass jemand dem König auflauert? Er muss etwas gesehen haben. Den Attentäter.« Er schloss die Augen und malte sich das Bild aus. »Aber du wolltest nicht gesehen werden. Deshalb saßest du auf einem Baum. Du wolltest …« Eckhard riss die Augen auf. »Du wolltest nicht springen, denn dir war klar, dass die Männer des Königs dich erwischen würden. Du wolltest leben.«
Auf seinen mageren Wangen entstanden rote Flecken. Mit konzentriertem Gesichtsausdruck schaute er zu dem Baum zurück, als wolle er die Entfernung abschätzen, dann beugte er sich über den Waldboden, den er Schritt für Schritt absuchte. Ein Sonnenstrahl fiel auf einen Gegenstand und ließ ihn aufblitzen. Ohne auf Dornen und Brennnesseln zu achten, riss Eckhard das Gesträuch auseinander und zog vorsichtig ein Messer aus dem Waldboden. Er wischte es an seiner Kutte ab und betrachtete es. Die Klinge war lang und scharf, der Griff mit vergoldeten Metallplatten beschlagen. »Nein, du bist wirklich kein Bauer«, flüsterte er. Noch einmal kehrte er zu dem Toten zurück und ging neben ihm in die Hocke. Als er sich tiefer beugte, fiel ihm ein Beutel auf, der halb unter der Leiche lag. Mit spitzen Fingern zog er ihn hervor, schlug das Messer vorsichtig in dem steifen Leder ein und ließ das Bündel in der Kutte verschwinden. Er zögerte, dann häufte er ein paar Handvoll Laub auf das Gesicht des Attentäters, schlug das Kreuz und band sein Pferd los.
Als er Stunden später in Konstanz einritt, bemerkte er, dass die Fröhlichkeit, die in den letzten Tagen auf dem Markt geherrscht hatte, einer bedrückten Stimmung gewichen war. Eckhard trieb das Pferd zu schnellerer Gangart an und saß im Hof des Bischofssitzes ab.
»Der Fürstbischof erwartet mich.«
Ein breitschultriger Knecht sah gelangweilt auf. »Da werdet Ihr Euch gedulden müssen. Der Fürstbischof ist beim König. Wichtige Angelegenheiten.« Der Mann verzog das Gesicht. »Na, Ihr wisst ja selbst …«
»Was weiß ich?«
»Na, dass sich die Männer vom König mit denen vom Herzog geprügelt haben.« Der Mann spuckte durch eine Zahnlücke und grinste. »Soll hoch hergegangen sein. Und jetzt sitzen sie da und tun so, als wäre nichts geschehen. Als ob es nicht längst jeder wüsste. He, wo wollt Ihr denn hin?«
»Es ist wichtig!«, rief Eckhard über die Schulter und drängte sich an dem Mann vorbei. »Ich muss sofort zum Fürstbischof!«
»Nicht da lang!«, rief ihm der Knecht nach, »im Speisesaal!«
Ohne auf den Mann zu achten, eilte Eckhard zum Zimmer des Bischofs. Zuerst nahm er das Messer aus seiner Umhüllung und legte es auf den Tisch. Einen Augenblick lang betrachtete er nachdenklich die Tasche mit ihrem ungewöhnlichen gehärteten Deckel, dessen Details unter einer Blutkruste verborgen waren. Kurz dachte er darüber nach, sie mit dem Fingernagel abzukratzen, doch stattdessen ging er zum Fenster. Die eindrucksvolle Fassade des dreigeteilten Münsters vermittelte ihm eine so innige Nähe zu Gott, wie er sie sonst selten spürte. Aber sein inneres Zwiegespräch endete abrupt, als die Tür aufgerissen wurde. Salomo trat ein. Sein Gesicht war gerötet, die Zornesäderchen an den Schläfen traten hervor. »Das darf doch nicht wahr sein, ich …«
»Herr?«
Salomo blieb unvermittelt stehen. »Ach, Eckhard.« Er ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Letztlich sind sie alle gleich! Der König beschließt, irgendwo zu nächtigen, und wir dürfen zahlen. Heinrich hat beschlossen, ein paar Tage länger zu bleiben, weil er sein verletztes Bein auskurieren will. Und
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