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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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nun ernähren müssen, dachte Agnes, während sie auf der Suche nach dem Kommandanten durch das Lager streifte. Und wenn es nicht mehr ausreicht, werden sie in unsere Häuser einfallen, um dort die letzten Vorräte zu plündern – königliches Ehrenwort hin oder her.
    Schließlich fand sie das lang gestreckte Zelt, vor dessen Eingang geschäftiges Kommen und Gehen herrschte.
    Ein Wächter, der in der Hocke seine Brotzeit verspeiste, sprang auf und stellte sich ihr in den Weg. «He! Du kannst hier nicht rein.»
    «Ich muss zum Lagerkommandanten. Im Übrigen könntet Ihr ein wenig höflicher sein.»
    «Halt’s Maul, Metze, und verschwinde.»
    Agnes wich zurück. Als sich der Mann wieder in die Hocke sinken ließ, machte sie einen Satz nach vorn und schlüpfte blitzschnell an dem verdutzten Wächter vorbei ins Zelt.
    «Was soll das? Wie kommt Ihr hier herein?»
    Der hoch gewachsene Offizier neben dem Stehpult musterte sie von oben herab.
    «Ihr müsst Eurem Wachdienst eben mehr Disziplin beibringen. Der gute Mann war ganz mit seiner Brotzeit beschäftigt.»
    «Saukerl!» In seinen Augen blitzte Belustigung auf. «Und was habt Ihr so Wichtiges auf dem Herzen, dass Ihr hereinstürmt wie ein Rammklotz?»
    «Wenn Ihr der Lagerkommandant seid, könnt Ihr mir vielleicht sagen, ob mein Bruder hier ist. Matthes Marx – er dient bei den Leichten Reitern.»
    «Dann kommt in drei Tagen wieder oder in fünf. Wir haben eben erst begonnen, die Lagerliste aufzusetzen. Bei über dreitausend Mann dauert das seine Zeit.»
    «Aber – führt nicht jedes Regiment eine Musterrolle? Da müsste man ihn doch finden können.»
    Der Offizier lachte. «Hast du gehört, Tintenfresser? Die gnädige Frau kennt sich aus.»
    Da erst entdeckte Agnes den kleinwüchsigen Mann mit den kurzsichtig zusammengekniffenen Augen hinter dem Pult, der offenbar der Schreiber oder Secretarius des Kommandanten war. Der Zwerg nickte unterwürfig.
    «Ich sag Euch ganz ehrlich: Unsere Musterrollen können wir ins Feuer werfen. Unsere Söldner kommen und gehen inzwischen, wie es ihnen einfällt. Und wenn einer stirbt, gibt er höchst selten Bescheid.» Der Kommandant strich seine leuchtend rote Schärpe glatt. «Aber wartet – Matthes Marx heißt Euer Bruder? So ein großer, schlanker, dunkel wie Ihr?»
    «Ja.» Agnes’ Herz schlug schneller.
    «Aber natürlich – dieser Malefizkerl aus de Paradas Kompanie. Genau so ein Sturmwind, wie Ihr es seid. Tintenfresser, bring sie zu Isolanis Leutnant, der wird mehr wissen.»
    «Habt vielen Dank», stotterte Agnes und beeilte sich, dem Schreiber zu folgen. Jetzt würde ihre Mutter wenigstens einen ihrer Söhne zurückbekommen.
    Doch die Ernüchterung folgte wie ein Schwall eisigen Wassers. Der Leutnant, vor dem sie kurz darauf stand, beschied ihr mit mürrischem Gesicht, dass Matthes Marx nicht im Lager sei.
    «War er denn nicht in Nördlingen dabei?»
    «Doch. Er sollte auch hier sein. Ist er aber nicht.»
    «Was soll das heißen? Ist er desertiert?»
    «Der doch nicht. Der kennt nichts anderes als kämpfen. Nein, er wird in Nördlingen sein, dort haben wir die Schwerverletzten zurückgelassen. Und die Toten auch.»

27
    «Agnes! Du bist vollkommen närrisch geworden!»
    Auf Rudolfs Gesicht stand das blanke Entsetzen.
    «Lass es mich wenigstens versuchen. Du bist doch ein Freund des Stallmeisters! Mit einem guten Pferd ist es in drei Tagesritten zu schaffen.»
    «Nur über meine Leiche. Außerdem unterstehen die Pferde jetzt dem königlichen Hofstallmeister. Und die Tore sind verschlossen, solange sich der König in der Residenz aufhält.»
    Agnes ging zur Tür. «Dann werde ich selbst mit deinem Freund reden. Gegen ein bisschen Silber findet er sicher Möglichkeiten, an ein Pferd zu kommen.»
    «Warte.» Rudolf hielt sie am Arm fest. «Wenn es dir so ernst ist, wenn du dich unbedingt in Gefahr bringen willst, dann lass mich wenigstens mitreiten.»
    «Wirklich?» Sie spürte, wie erleichtert sie war. «Um ehrlich zu sein – ich hatte schon daran gedacht, dich um Begleitung zu bitten. Aber ich will deine Freundschaft nicht ausnutzen. Und ich wollte nicht, dass du denkst   –»
    «Was?»
    «Na ja, wir beide – ich möchte nicht, dass du irgendwelche Hintergedanken hegst.»
    Er lächelte: »Hintergedanken hab ich keine. Die Hoffnung ganz aufgegeben allerdings auch nicht. Nur, was ist, wenn Matthes gar nicht im Nördlinger Spital ist? Wenn er   –» Er brach ab.
    »Du meinst, wenn er tot ist?» Agnes sah zu Boden. «Das

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