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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Niedergeschlagenheit, das sich noch verstärkte, als sie einen abgebrannten Schafstall erreichten. Der Brandgeruch stand noch in der Luft, und auf dem verkohlten Gras lagen die verbrannten Kadaver, bis auf die Knochen abgenagt.
    «Hier hat aber jemand mörderisch gehaust», murmelte Rudolf.
    «Wenn wir nur schon in Waiblingen wären.»
    «Es ist nicht mehr weit.» Rudolf deutete auf ein großes Dorf, das sich unterhalb eines mächtigen Weinbergs um eine Wehrkirche drängte. «Dort vorn, das muss Fellbach sein. Von dort sind es höchstens noch zwei Meilen.»
    Agnes fühlte nach den Münzen, die sie im Rocksaum eingenäht hatte. Sie spürte die Umrisse des Spielzeugpferdchens. «Meinst du, die kaiserliche Besatzung wird uns für die Nacht in die Stadt lassen?»
    «Warum nicht? Wir sind ja jetzt Untertanen König Ferdinands. Und protestantisches Geld ist nicht schlechter als katholisches.»
    Bald darauf standen sie auf der Kuppe eines Hügels. Unter ihnen lag im Dunst die umfriedete Amtsstadt Waiblingen, in eine Schleife der Rems geschmiegt, die hier nach Norden hin zwischen steilen Hügeln verschwand. In der Talaue vor den Mauern waren deutlich die Zelte und Hütten eines Heerlagers zu erkennen.
    Agnes kniff die Augen zusammen. «Das ist nicht nur Dunst und Kaminrauch über der Stadt.»
    Je näher sie Waiblingen kamen, desto beißender wurde der Geruch nach verbranntem Holz. Und dann gab es keinen Zweifel mehr: Ein wahres Inferno musste hier stattgefunden haben. Alles, was sie von den Häusern hinter den wehrhaften Ringmauern sehen konnten, war rußgeschwärzt, die Dachstühle verkohlt, die Fenster blind, und von der mächtigen Kirche vor der Stadt standen nur noch die Mauern.
    Im Trab durchquerten sie das Lager der Garnison, ohne auf das Zetern der Weiber und die Zurufe der zumeist betrunkenen Söldner zu achten. Als ein stämmiger Bursche Rudolf in die Zügel griff, zückte der seinen Dolch.
    «He, he! Immer langsam, mein Freund.» Mit einem Ruck brachte der Mann Rudolfs Pferd zum Stehen. «Ich wollte nur mit Euch ins Geschäft kommen. Edle Rösser, die Ihr da spazieren führt. Was wollt Ihr dafür?»
    «Frag ihn lieber, wie viel sein hübscher Begleiter kostet», brüllte ein anderer. «Der sieht mir doch sehr nach einem Weibsbild aus.»
    «Verschwinde, oder ich schneid dir den Hals ab», schnauzte Rudolf. Im selben Moment versetzte Agnes mit ihrer Weidenrute dem Söldner einen Streich mitten ins Gesicht und trieb ihr Pferd in Galopp.
    «Verhurtes Miststück!», hörte sie ihn noch fluchen, dann hatte sie den Stadtgraben erreicht, Rudolf dicht hinter ihr. Sie stiegen vom Pferd.
    «Lass uns woanders ein Nachtquartier suchen», flüsterte Agnes.
    «Woanders? Dafür ist es zu spät.» Das lange, dürre Gesicht ihres Gefährten war fahl. «Jetzt weiß ich, dass wir in unserer Residenzstadt auf einer Insel der Seligen leben inmitten der Hölle. Lass uns gleich morgen früh heimkehren.»
    «Nein!»
    Rudolf sah sie mit seinen klaren grünen Augen nachdenklich an. Dann zog er einen Batzen aus der Rocktasche und trat auf die beiden Wächter zu, die gelangweilt vor dem ausgebrannten Tor standen.
    «Hier!» Er reichte ihnen das Geld. «Wir bitten um Einlass für eine Nacht.»
    Der Jüngere fing schallend an zu lachen. Auch er wirkte, wie alle Soldaten hier, reichlich betrunken.
    «Dann hinein in die gute Stube. Mal sehen, ob ihr ein kommodes Bettchen findet.»
    Sie führten ihre Pferde durch dasTor und blieben stumm stehen. Der Anblick, der sich ihnen bot, war unfassbar: Einzig die Gasse zu ihrer Linken, die leicht bergan führte, war passierbar, Steinbrocken und verkohlte Balken versperrten die übrigen, hier und da schwelte noch Rauch. Die ganze Stadt lag in Schutt und Asche, ausgestorben und verwaist bis auf ein paar streunende Hunde, und über den Trümmerhaufen hing ein bestialischer Gestank.
    Agnes zog sich ihr Schultertuch um die Nase und wandte den Blick suchend umher. Plötzlich schrie sie auf: Aus einem eingebrochenen Türsturz ragte, als bitte sie die Fremden um ein Almosen, eine verkohlte Hand.
    «Ich will weg hier, Rudolf, bitte.»
    «Du hast Recht. Kehren wir um.»
    Das Poltern herabfallender Steine ließ ihre Pferde scheuen. Aus einem halb verschütteten Kellereingang schob sich der Lauf einer Jagdbüchse, dann folgte ein dunkles Gesicht mir wirrem Haar.
    «Fort mit euch. Hier gibt’s nichts mehr zu plündern!»
    Agnes klammerte sich an Rudolfs Arm. Da tauchte hinter der Schulter des Mannes der Kopf eines

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