Die Gauklerin
unseren Besuch erst anmelden.»
Das sollte indes nicht nötig sein. Die hagere Frau hatte sich umgedreht und sah sie misstrauisch an. Dann stieß sie einenSchrei aus. «Jesses! Dass mich der Donner und Hagel erschlag – der Gaukler-Kaspar!»
Sie kam zum Zaun geschlurft und stemmte die Arme in die Hüfte. Ihr Gesicht war faltig wie ein alter Mostapfel, dabei von ungesunder grauer Farbe. Unterhalb ihrer langen Nase prangte eine Warze, die sich wohl durch häufiges Kratzen entzündet hatte. Agnes kauerte sich auf dem Kutschbock zusammen, als hätte ein Flurschütz sie beim Äpfelklau erwischt.
«Jetzt sag bloß», begann die Alte zu meckern, «du willst dich wieder mal bei uns einquartieren. Das kannst du dir gleich aus dem verlausten Hirn schlagen. Wir haben kein Fleckchen mehr frei. Und wer ist die da?» Sie wies mit dem Kopf zu Agnes. «Noch eine Gauklerin? Was bringst du diesmal – eine Tierbändigerin? Eine Wahrsagerin?»
Kaspar duckte sich wie unter einem Schlag, sein Lächeln gefror.
«Jetzt hör auf, Else. Agnes ist meine künftige Frau.»
Die Alte lachte höhnisch auf. «Deine künftige Frau. Und dazu eine Bürgerstochter, wenn ich mir das hübsche Gewand und die feinen Schuhe recht besehe. Einen sauberen Fang hast du da gemacht.»
«He, Weib, was zeterst du so herum?» Im Türrahmen einer der Hütten erschien ein untersetzter Kerl, kaum jünger als Else, barhäuptig, mit ungekämmtem langen Haar und Vollbart und der roten großporigen Nase eines Trinkers. Wie es schien, war er eben erst aus dem Bett gestiegen.
Kaspar stieß die Gartenpforte auf und lief auf ihn zu, ohne sich weiter um die Alte zu kümmern.
«Melchert!»
«Ja, Sackerment – Kaspar! Alter Fatzvogel! Endlich mal ein Lichtblick in unserer trübseligen Hütte.»
Der Mann breitete die Arme aus und zog Kaspar an sich. Er schien sich aufrichtig zu freuen, und Agnes entspannte sich einwenig. Trotzdem hätte sie am liebsten die Zügel aufgenommen und wäre auf und davon. Was für ein Rattenloch!
Kaspar und Melchert schlenderten Arm in Arm heran.
«Das ist Agnes, meine Braut.»
Während Kaspar ihr galant vom Wagen half, flüsterte er ihr ins Ohr: «Mach ein freundliches Gesicht, Prinzessin, sonst müssen wir heute Nacht im Stadtgraben schlafen.»
«Willkommen im Hause Steiger. Das müssen wir feiern.» Melchert schüttelte ihr die Hand. «Kommet no rei!»
Er schob seine Frau zur Seite und ging voraus in eine düstere Stube, die offensichtlich die gesamte Grundfläche des Hauses ausmachte und in der der Dunst von Kohlsuppe hing, vermischt mit dem Geruch nach billigem Fusel.
Agnes war entsetzt: Durch das einzige Fensterchen mit seiner verdreckten Glasscheibe drangen kaum Tageslicht und Luft, der Boden bestand aus gestampftem Lehm. Lediglich unter Tisch und Eckbank waren nachlässig ein paar Dielenbretter verlegt. Links von der Eingangstür trennte ein Vorhang von unbestimmter Farbe den Raum ab – jetzt war er halb zurückgezogen und gab den Blick auf eine unordentliche Bettstatt frei. Der Schlafstelle gegenüber, dicht beim Esstisch, befand sich die Küchenecke mit einem rußgeschwärzten Herd, der immerhin ein Rohr zur Außenwand besaß. So würden sie wenigstens nicht ersticken müssen, dachte Agnes grimmig, falls sie es überhaupt länger als eine Nacht hier aushielt. Dann entdeckte sie die Holzstiege, die steil nach oben führte. Vielleicht gab es dort ja einen annehmbaren Schlafraum für sie.
Kaspar zog einen schmalen Lederschlauch unter seinem Reisemantel hervor. «Tiroler Zwetschgenwasser. Für euch.»
«Worauf warten wir? Kommet no, setzt euch.» Melcherts Äuglein über den schweren Tränensäcken strahlten. «Else, mach Feuer, hier friert einem ja der Arsch ab.»
«Wenn du deinen Arsch mal bewegen würdest, würde er auch nicht abfrieren.»
Mit grimmigem Gesicht scheuchte die Alte zwei Hennen aus der Stube, legte einen Kanten Brot auf die Tischplatte und brummelte: «Mehr hab ich nicht im Haus.» Dann machte sie sich am Ofen zu schaffen. Agnes fiel auf, dass sie beim Gehen den linken Fuß nachzog.
«Und jetzt erzähl, was dich diesmal in unser schönes Stuegert verschlagen hat.» Melchert nahm einen tiefen Schluck, rülpste und reichte dann den Schlauch an Kaspar weiter.
«Die Sehnsucht nach euch, was sonst.» Kaspar trank. «Doch im Ernst: Ich hab dieses Wanderleben bei Wind und Wetter gründlich satt, du magst dich ja vielleicht noch erinnern an jene Zeit. Ich bin Sänger, ich will Kunst machen und nicht diesen
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