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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Ärger mit dem Prinzipal? Stammt daher deine Schramme?»
    «Aber nein. Ich hab mich heute Morgen gestoßen. Weil ich es so eilig hatte, zu dir zu kommen.»
    Etwas in seiner unverdrossenen Fröhlichkeit ließ sie aufhorchen. Doch ein Blick in seine hellbraunen Augen zerstreute Agnes’ Zweifel. Zärtlich schaute er sie an: «Vertrau mir. Eine wunderbare Zukunft liegt vor uns, und wir sind zusammen. Allein das zählt. Aber du zitterst ja!»
    Er nahm die Zügel in eine Hand und legte ihr eine schwere Decke um die Schultern. Sie schloss die Augen. Jetzt erst spürte sie die Erschöpfung der vielen ruhelosen Nächte. Sie ließ sich an Kaspars Schulter sinken, spürte das unregelmäßige Rumpelndes Wagens, sah das kindliche Gesicht Jakobs vor sich, wie er sie anflehte, nicht fortzugehen, dann schob sich das ihrer Mutter dazwischen, vorwurfsvoll und aufgelöst vor Schmerz. Du hast Schande über uns gebracht, waren ihre lautlosen Worte, wieder und wieder hallten die stummen Klagen Agnes im Kopf. Endlich fiel sie in tiefen, traumlosen Schlaf.
    Als sie erwachte, holperte der Karren durch eine karge Moor- und Riedlandschaft. Zwischen mannshohen Gräsern hingen Nebelfetzen, hier und da erhob sich eine Birke gegen den grauen Himmel, Heidekraut stand in seiner letzten fahlen Blüte.
    Agnes streckte sich. In östlicher Richtung glaubte sie die Türme einer Stadt zu erkennen. «Wo sind wir?»
    «Dicht bei Waldsee.» Kaspar strich ihr über die kalte Wange, dann zog er sie an sich. «Wir müssen eine Unterkunft suchen, es wird bald dunkel.»
    «Dann muss ich ja stundenlang geschlafen haben.»
    «Das hast du tatsächlich. Wie ein Stein. Hinter dir liegt ein Beutel mit Brot und Käse, du wirst hungrig sein.»
    Agnes schüttelte den Kopf. Ihr Magen zog sich zusammen, wenn sie nur an ihre Familie dachte. Ihre Brüder hatten inzwischen gewiss die ganze Stadt nach ihr abgesucht, und ihre Eltern waren von Sinnen vor Sorge. Vielleicht hatte Jakob bereits die Botschaft unter seiner Bettdecke entdeckt – doch die, da machte sie sich nichts vor, würde ihre Eltern kaum beruhigen. Sie hatte geschrieben, dass sie Ulrich niemals heiraten könne und dass sie ihnen, sobald sie an ihrem Ziel angelangt sei, einen Brief senden würde. Weiter nichts. Nur noch den Zusatz, dass sie sie alle von Herzen liebe.
    Verstohlen wischte sich Agnes die Tränen aus dem Gesicht.
    «Weinst du?» Auf Kaspars schönem Gesicht zeigte sich eine Mischung aus Ratlosigkeit und Verwunderung.
    «Unsinn – das ist nur diese Kälte, die Erschöpfung.» Sie schämte sich plötzlich maßlos vor ihm. Schließlich war sie keinKind mehr. Sie war eine erwachsene Frau, Kaspars Frau, und in Stuttgart würden sie ein neues, gemeinsames Leben beginnen.
    Mit einem trotzigen Lächeln legte sie ihre Hand auf seinen Arm. «Erzähl mir von Stuttgart.»
    «Es wird dir gefallen. Die Stadt ist sehr anmutig gelegen, inmitten von Bergen, Wiesen und Wäldern. Dazu ein gesundes Klima, in dem Früchte und Wein gedeihen wie fast nirgendwo sonst. Und vor dem Schloss erstreckt sich ein einzigartiger Lustgarten. Mit Wasserspielen, Orangerie und Blumenrabatten, soweit das Auge reicht. Weißt du, wie die Schwaben Stuttgart nennen? Das Paradies der Erde!»
    Sie kreuzten einen Feldweg, der nach rechts in Richtung der Stadt führte. Doch zu ihrer Überraschung lenkte Kaspar den Karren weiter geradeaus.
    «Fahren wir denn nicht nach Waldsee?»
    «Nein. Noch ein Stück weiter liegen große Schafweiden. Da findet sich immer ein leerer Stall zum Übernachten.»
    Agnes starrte ihn an. «Wir übernachten hier? In dieser Ödnis?»
    Kaspar lachte sein breites, betörendes Lachen. «Wir müssen unser Geld zusammenhalten. Und du glaubst gar nicht, wie gemütlich es in einem Schafstall sein kann. Frieren wirst du ganz bestimmt nicht.»
    Er begann von der herzoglichen Residenz zu schwärmen, von ihren prunkvollen Festen mit Tausenden von Gästen aus den Fürstenhäusern ganz Deutschlands, von ihrem Reichtum, von dem auch bald sie ihr Scherflein abbekommen würden.
    «Der Herzog ist ein Förderer der Künste. Seine Musiker erhalten ein stattliches Salär und sind bei der Bevölkerung hoch geschätzt. Du wirst sehen – wenn ich erst eine Anstellung bei der herzoglichen Hofkapelle habe, suchen wir uns ein respektables Häuschen und heiraten. Und dann schicken wir einen Geldboten nach Ravensburg, damit deine Familie in einer bequemen Reisekutsche zu unserem Hochzeitsfest kommen kann.»
    «Und wo werden wir zu Anfang

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