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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Medizin studieren.»
    «Wer gibt auf dich Acht, Agnes? Eine Frau darf im Krieg nicht allein sein.» Ihre Worte kamen langsamer und bedächtiger.
    «Ich bleibe bei ihr, bis ihr Bräutigam kommt», antwortete Matthes rasch. Die Tränen liefen ihm über die Wangen. «UndDavid ist auch noch da. Komm näher zu uns, David, und zu deiner Großmutter.»
    «Das ist schön. Haltet zusammen, dann kann ich ohne Sorgen gehen.»
    Der Pfarrer erschien und stellte sich an die andere Seite des Bettes. Mit ruhiger Stimme erteilte er Marthe-Marie das Heilige Abendmahl, segnete sie und betete mit ihr. Sie starb mitten im Gebet, den Blick ihren Kindern und ihrem Enkel liebevoll zugewandt, bis der Glanz ihrer Augen erlosch.
    «Gott der Allmächtige helfe uns im ewigen Leben wieder zusammen. Amen», sprachen sie die Worte des Pfarrers mit, dann legte Agnes den Kopf auf Marthe-Maries Brust, in der das Herz nie wieder schlagen würde, und weinte, wie sie es seit langer Zeit nicht mehr über sich gebracht hatte. Erst als der Pfarrer seine Utensilien zusammengepackt hatte, erhob sie sich, löschte die Sterbekerze und schlug die Fensterflügel auf.
    Draußen stimmten die Vögel ihr Abendkonzert an. Heute sangen sie nur für ihre Mutter, deren letzter Wunsch in Erfüllung gegangen war – zu sterben in Frieden mit sich und umgeben von ihrer Familie. Auch für Agnes war etwas in Erfüllung gegangen: Sie war nicht länger auf der Suche. Sie wusste endlich, wohin sie gehörte, und selbst wenn dieser Krieg noch ewig währen würde – sie würde diesen Ort nicht mehr verlassen. Und Sandor würde bald an ihrer Seite sein.

41
    Die Jahreszeiten kamen und gingen. Auf einen kurzen, warmen Sommer folgte ein langer und windiger Herbst. Sooft es möglich war, besuchte Agnes mit Matthes und ihrem Sohn das Grab ihrer Mutter. Es lag auf dem Kirchacker eines kleinen Dorfes im Westender Residenz. Gegen ein hohes Bestechungsgeld hatten sie damals den Leichnam aus der Stadt geschafft, denn der kaiserliche Statthalter hatte Einzelbestattungen und Trauergefolge verboten.
    Matthes hielt Wort und blieb bei Agnes. Sobald seine Hand verheilt war, ließ er sich einen Lederschutz anfertigen und machte sich mit Mugge daran, ihr Häuschen auf Vordermann zu bringen, Stück für Stück, mit dem Wenigen, was sie hatten. Rechtzeitig zum Wintereinbruch hatten sie alle Ritzen und Spalten gestopft, um mit möglichst wenig Brennholz über die kalte Jahreszeit zu kommen.
    Der Winter brachte eine neue Pestwelle über die Stadt, von der der Kreis um Agnes jedoch wie durch ein Wunder verschont blieb. Und er brachte die erste Nachricht von Jakob: Er habe sich in Utrecht und an der dortigen jüngst gegründeten Universität wohl eingerichtet, als Famulus eines namhaften Medizinprofessors sei er sowohl auf dem Feld der Lehre als auch der Forschung tätig; ein unermesslicher Reichtum an Wissen und neuen Erkenntnissen würde sich ihm Tag für Tag erschließen. Auch sonst lerne er das Leben zu genießen, habe sogar eine hübsche und liebe Bürgerstochter gefunden, die er vielleicht eines Tages zur Frau nehmen wolle.
    Von Sandor brachten die geheimen Kuriere alle drei, vier Monate einen Brief, den Agnes des Abends wieder und wieder las, bis dann der nächste eintraf. Sie zweifelte keinen einzigen Tag, dass er kommen würde, und wenn sie bis zum Ende dieses Krieges warten sollte. Der tobte zunächst im Lothringischen und in Burgund, allzu bald aber wieder auf deutschem Boden, wenn auch fernab, im Norden und Osten. Längst hatte der Krieg die scheinheilige Maske eines Kampfes um den wahren Glauben abgelegt und war zu einem europäischen Staatenkrieg geworden, mit Deutschland als Schlachtfeld. So wurde Sachsen von schwedischen Haufen heimgesucht, und die Franzosen breiteten sich beutegierig längs des Rheinstroms aus.
    Nach wie vor war man vor der marodierenden Soldateska nur in der Abgeschiedenheit der Berge und Wälder halbwegs sicher oder in den befestigten großen Städten. So waren zwar die Bewohner der württembergischen Residenz weiterhin Hunger und Elend ausgesetzt, und wer noch etwas besaß, ächzte unter der erdrückenden Steuerlast auf alle Waren und Güter, die an die kaiserliche Kriegskasse abzuliefern war – doch von Plünderung und Brandschatzung blieben sie verschont. Als schließlich der alte Kaiser Ferdinand starb und der junge Ferdinand seine Nachfolge übernahm, schöpfte man in Stuttgart neue Hoffnung.
    Dann, im Oktober anno Domini 1638, nach einem brütend heißen Sommer,

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