Die Gauklerin
David angefreundet zu haben. Die beiden saßen eng beieinander und grinsten sich an. Das war gut so. Matthes lächelte. Mugge musste bald auf eigenen Beinen stehen. Und sein Neffe würde ihm dabei vielleicht eine Hilfe sein.
«Matthes, du bist ja wach!»
Agnes stand auf und brachte den Krug an sein Lager. Das kühle Bier schmeckte herrlich.
«Wie geht es deiner Hand?»
«Welcher Hand?», versuchte er zu scherzen. «Wie lange war ich ohne Bewusstsein?»
«Nur einige Stunden. Und du hast kein Fieber mehr.»
«Was bist du nur für ein zäher Kerl.» Jakob kniete sich neben ihn, und Matthes tastete nach der Hand seines Bruders.
«Jakob – ich danke dir.»
«Danke nicht zu früh. Der halbe Daumen musste auch weg. Es ist nicht mehr viel übrig von deiner Linken.»
«Sag – verzeihst du mir?»
Jakob strich ihm ungelenk durchs Haar. «Ja. Aber jetzt sprich nicht mehr so viel. Du musst dich erholen.»
Matthes nickte. Er zog sich die Decke über die Schulter und drehte sich vorsichtig zur Seite. Er spürte seine Hand leise pochen, die Hand, die nicht mehr da war. Noch immer fühlte er sich erschöpft und unsagbar müde. Doch jetzt war etwas hinzugekommen: eine warme, tröstliche Geborgenheit. Er lauschte noch einige Zeit dem Stimmengemurmel, hörte Agnes irgendwann schelten: «Du trinkst zu viel», dann Jakobs lachende Antwort: «Das hilft gegen die Pest. Es ist noch nie ein Besoffener an der Pest gestorben.»
Schon am nächsten Morgen kam Matthes tatsächlich wieder auf die Beine. Sie saßen um eine Schüssel mit Brei aus Eichelmehl und verdünnter Milch, als er sich schwankend erhob.
«Ich habe Hunger.»
Agnes hätte tanzen mögen vor Glück. Zumal auch ihre Mutter wieder etwas zu Kräften zu kommen schien. Sie half ihrem Bruder auf die Bank neben sich und schob ihm die halb volle Schüssel hin.
«Iss dich satt.»
«Mugge bleibt doch bei uns, oder?» David blickte erst Matthes, dann die anderen an.
Jakob wischte sich den Mund ab. «Wenn er ordentlich Essen und Trinken herbeischafft, warum nicht?»
«Ich will ihm nämlich Lesen und Schreiben beibringen.»
Jakob klopfte ihm auf die Schulter. «Du trittst ja ganz in die Fußstapfen deines Großvaters. Vater wäre stolz auf David, nicht wahr, Mutter?»
Agnes sah mit Freude das Leuchten, das über das Gesicht ihrer Mutter fuhr, und ihr Nicken.
Matthes hielt im Essen inne und blinzelte Mugge zu. «EinRossknecht, der sich zum Gelehrten bildet – ob das wohl das Richtige ist?»
«Besser als ein Rossknecht ohne Ross», gab David prompt zurück.
Da lachte Matthes schallend, und Agnes sah ihn verdutzt an. Zum ersten Mal sah sie ihn lachen. Er wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. «Da ist wohl einiges geschehen, während ich hier scheintot herumlag.»
Dann stutzte er. Sein Blick fiel auf Jakob.
«Musst du nicht mehr ins Lager zurück?»
«Ich bin frei. Bernhard von Weimar hat mich losgekauft.»
«Was?»
Jakob zuckte die Schultern. Er wirkte verunsichert. «Wie das zustande kam, weiß ich selbst nicht. Zumal Weimar weit weg ist, irgendwo in Lothringen.»
Matthes kniff die Augen zusammen: «Weimar ist nicht der Wohltäter, der aus seiner Schatulle eine Ranzion springen lässt, nur um seinem Feldscher die Freiheit zu schenken. Was hast du vor?»
Jakob warf einen Blick hinüber zum Bett und senkte die Stimme. «Herrgott, ich weiß es nicht. Immerhin ist Weimar der einzige protestantische Fürst, der noch gegen die päpstliche Tyrannei ficht.»
«Jetzt sag bloß, dieser Freibeuter hat wieder ein Heer auf die Beine gestellt.»
«Fünfunddreißigtausend Mann», platzte David dazwischen. «Hier in der Stadt wird von nichts anderem geredet. Er will Gallas eine gewaltige Schlacht liefern und dann den Süden von den Kaiserlichen befreien. Mit Hilfe der Franzosen.»
Matthes sprang auf. Sein Gesicht war dunkelrot angelaufen. «Hier! Sieh dir meinen Arm an. Im letzten Moment hast du verhindert, dass der Wundbrand meinen Körper zu Tode frisst. Das ist deine Aufgabe.»
«Aber – gerade im Krieg –» Jakob begann zu stottern.
«Jakob!», brüllte Matthes. «Geh fort aus Deutschland, geh in ein Land, wo du nicht von Schlachtfeld zu Schlachtfeld stolperst. Studiere, werde ein berühmter Medicus, aber verschwinde von hier, das ist nichts für dich!»
«Gerade du redest wider den Krieg, der du dein Leben lang durch nichts anderes dein Brot verdient hast!»
«Ebendarum.» Matthes ließ sich wieder auf die Bank sinken. «Ebendarum», wiederholte er
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