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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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und betrogen hatte, der sie sitzen ließ mit einem Kind im Leib, der mit diesem Haufen Söldnern und seinem verwahrlosten Tross dem Krieg hinterherzog. Jetzt war ihr alles klar: Nicht aus Liebe zu ihr hatte er sich auf den Weg gemacht, sondern weil er nichts war als ein Glücksritter, ein Spieler – ein Gaukler eben. Wahrscheinlichhatte er auch irgendein Weibsbild kennen gelernt. Sie würde ihn jedenfalls zur Rede stellen, irgendwo dort vorn, am Neckar, wo sich der Tross sammelte.
    Jemand stieß sie grob in die Seite, und sie strauchelte. Mühsam richtete sie sich wieder auf. In ihren Ohren begann es zu rauschen, vor ihren Augen zu flimmern. Sie schaffte es noch bis zu den Berger Mühlen, dann gaben die Knie unter ihr nach, und sie fiel zu Boden. Um sie herum versank alles in dunkelgrauem Nebel, undeutlich hörte sie noch die Worte ‹Goldkehls Frau›, jemand rief «Das ist die Gauklerin!», dann umfing sie eine feierliche Stille.
    Als sie wieder zu sich kam, lag sie auf Elses Strohsack.
    «Mädle, was machst du denn für Sachen? Hier, trink einen Schluck.»
    Agnes richtete sich auf. Ihr Kopf schmerzte, als habe man ihr einen Keulenschlag versetzt.
    «Warum bin ich hier?»
    «Zwei Kumpane von Melchert haben dich am Wegrand aufgelesen und hierher gebracht. Zum Glück haben sie dich erkannt. Sonst würdest du noch immer dort im Dreck liegen.»
    Jetzt erst kam die Erinnerung zurück. Sie war nahe daran loszuheulen.
    «Kaspar», stammelte sie. «Er ist fort. Ich muss nach Cannstatt, ihn zurückholen.»
    «Du gehst nirgendwohin, du musst dich jetzt schonen.» Unbeholfen berührte Else die Rundung unter Agnes’ Schürze. «Warum hast du mir niemals gesagt, dass du ein Kind erwartest?»
    «Ich weiß nicht – wir haben uns lange nicht gesehen.» Agnes versuchte aufzustehen, doch sogleich kehrte das Schwindelgefühl zurück. «Verstehst du nicht? Kaspar ist fort. Er will mit den Truppen in die Pfalz ziehen. Als Gaukler.»
    «Bist du dir sicher?»
    «Er hat mir eine Nachricht hinterlassen.»
    «Dieses ausgestrichene Schlitzohr! Lässt dich mit dem Braten im Ofen sitzen, ohne Schutz und Geld.»
    «So darfst du nicht reden.» Agnes hatte plötzlich das Bedürfnis, Kaspar zu verteidigen. «Fünf Gulden und eine Hand voll Kreuzer hat er in unsere Kiste gelegt.»
    Else pfiff durch die Zähne. «Das ist ja mehr, als ich im halben Jahr Lohn bekomme.»
    «Und er will vor Ostern zurück sein, noch bevor unser Kind zur Welt kommt.»
    Elses Augen verengten sich zu Schlitzen. «Woher soll Kaspar plötzlich fünf Gulden haben? Von seiner Lautenkratzerei? Da stimmt was nicht – Lienhard ist nämlich auch verschwunden, samt seinem Reisesack und fast allen unseren Vorräten.»
     
    Die letzten Wochen vor Ostern verbrachte Agnes tagsüber bei Else, auf deren ausdrücklichen Befehl. «So bist du in meiner Nähe, wenn es los geht. Und die alte Wehmutter wohnt gleich um die Ecke.»
    Während Else tagsüber in der Schlossküche arbeitete, machte Agnes, so gut es in ihrem Zustand noch ging, den Haushalt. Wenn die Alte zurück war, legte sie eine Fürsorge an den Tag, die Agnes beinahe rührend fand. Else schien sich auf die Geburt des Kindes zu freuen, und jetzt erst fiel Agnes auf, dass dieses Haus ein Haus ohne Kinder war.
    «Uns ist da wenig Glück beschieden gewesen», hatte Else auf ihre Frage geantwortet. «Vier sind tot, gleich nach der Geburt gestorben oder bald danach. Unser Großer ist vor drei Jahren schon in den Krieg gezogen, an der Seite Mansfelds; wir wissen nicht mal, ob er noch lebt. Und Maria, unsre einzige Tochter», Else zog geräuschvoll die Nase hoch, «hat rüber nach Esslingen geheiratet, einen Amtmann, und trägt jetzt die Nase hoch. Will sagen: Sie kennt uns nicht mehr.»
    An Gründonnerstag verspürte Agnes zum ersten Mal leichteWehen. Sie saß mit Melchert und Else beim Abendessen. Else betrachtete sie aufmerksam.
    «Noch zwei, drei Tage, und es geht los. Ab heute übernachtest du bei uns, du kannst bei mir schlafen. Melchert geht nach oben.»
    «Lass nur, Else, ich mag euch nicht zur Last fallen.»
    «Nix da, du bleibst hier. Eine Geburt ist kein Muckenschiss.»
    Unwillkürlich blickte sich Agnes um. In dieser ärmlichen Hütte also sollte ihr Kind zur Welt kommen. Wie tief war sie gesunken. Plötzlich schossen ihr Tränen in die Augen.
    «Du wartest auf Kaspar, gelt?» Else seufzte. «Er wäre ein Dummkopf, wenn er jetzt schon zurückkäme. Er soll den Brei nur erst mal abdampfen lassen.»
    «Wie meinst du

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