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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Elternhaus zurückkehren.
    Else kniete neben ihr. «Das hast du meisterhaft gemacht. Wie eine erfahrene alte Milchkuh.»
    «Kaspar wird nicht zurückkehren.»
    «Red keinen Unsinn. Mit dir hat er es ernst gemeint, nicht so wie mit den Weibern, die er früher angeschleppt hat.»
    Agnes betrachtete das winzige Wesen in ihrem Arm. Sie würde ihn auf den Namen David taufen, der Geliebte. Und sie dachte zurück an die Mädchenschule, wo sie der Geschichte gelauscht hatte von dem Knaben, der nur mit einer Steinschleuder in der Hand den Riesen Goliath niederzustrecken vermochte.

7
    «Der Krieg ist damit wohl vorbei.» Gottfried kickte mit der Fußspitze einen Stein übers Pflaster. Sein bubenhaftes Gesicht mit der stumpfen Nase und dem struppigen braunen Haar über der Stirn wirkte missmutig.
    Matthes nickte. «Was wirst du tun, wenn du deine Gesellenprüfung schaffst?»
    Gottfried zuckte die Schultern. «Erst nach Augsburg, dann vielleicht nach Nürnberg. Eigentlich graut mir davor, fremde Meister um Arbeit anzubetteln. Aber immer noch besser, als hier in Ravensburg zu versauern.»
    Matthes nickte wieder. Er dachte ähnlich wie sein Freund.
    Sie standen vor dem Langhaus des Karmeliterklosters. Die Kirchgänger begannen sich zu zerstreuen, die Frauen gingen heim an den Herd, die Männer zu ihrem Frühschoppen in die Wirtsstuben. Dort hatten die Katholischen bereits einen Krug Vorsprung, und man würde sich wie jeden Sonntagmorgen das Hirn heiß reden über die Lage in Deutschland. Ansonsten war in der freien Reichsstadt Ravensburg wenig zu spüren von religiösenFeindseligkeiten. Seit etlichen Generationen bestand Parität zwischen den Konfessionen, jegliches städtische Amt musste zweifach besetzt werden, und bei allen Festen und Gastmahlen herrschte die schönste Eintracht. Vielleicht hatte der friedfertige Umgang der beiden Parteien seine Ursache darin, dass den Bürgern Fleiß und Erfolg in Handel und Handwerk mehr bedeuteten als Gezänk um die wahre Religion – was in diesen Zeitläuften einem wahren Wunder gleichkam. Allein der Umstand, dass die Reformierten das Karmeliterkloster ihre Pfarrkirche nannten und das Kirchenschiff für ihren Gottesdienst nutzten, während der Chor den katholischen Mönchen vorbehalten und der Chorbogen daher zugemauert war, erntete bei Fremden jedes Mal ungläubiges Kopfschütteln.
    Gottfried schlug ihm auf die Schulter. «Kommst du noch auf einen Schoppen mit?»
    «Ich weiß nicht.» Matthes blinzelte in die Märzsonne.
    Heute würden sich die Leute, wenn sie nur reichlich genug getrunken hatten, vielleicht doch die Köpfe einschlagen über den Umstand, dass die katholische Liga den böhmisch-pfälzischen Krieg gewonnen hatte. Friedrich, der vom Kaiser geächtete und nach Den Haag entflohene falsche böhmische König, hatte sich in des Kaisers Gnade ergeben und damit sein Leben gerettet, die Kurpfalz wurde von Bayern und Spaniern besetzt. Die Führer der protestantischen Union hatten sich als weibische Feiglinge erwiesen, die Freibeuter Mansfeld und Bethlen waren endgültig geschlagen. Die Autorität des Kaisers schien wiederhergestellt, und eigentlich hätte sich Matthes freuen sollen, dass alles wieder ins Lot gerückt war. Stattdessen war er enttäuscht.
    Der tugendhafte Reichsgraf von Tilly, der im Ruf stand, unbesiegbar zu sein, weil er sich nie berausche und nie ein Weib anrühre, dessen gewaltige Kanonen die Namen von Aposteln trugen – der große Tilly hatte nach der entscheidenden Schlacht bei Wimpfen für seinen Kaiser einen glorreichen Sieg nach demanderen errungen. Jede Etappe seiner Feldzüge hatte Matthes mitverfolgt und die Einzelheiten aus den Flugschriften in sich aufgesogen wie ein Schwamm. Nun war Tilly mit seinem Regiment hoch in den Norden gezogen, und die Werbungen hier im Süden Deutschlands hatte man eingestellt. Seinen Traum, für diesen Mann die Fahne durch die Schlachten zu tragen, konnte Matthes nun wohl endgültig begraben.
    «Und? Kommst du nun mit?»
    Matthes warf einen Blick auf die Gruppe um seinen Vater, die sich anschickte loszugehen.
    «Einverstanden. Aber nicht in den ‹Löwen›. Mir steht nicht der Sinn nach einem Disput mit meinem Vater und meinem altklugen kleinen Bruder.»
    In diesem Moment kam Jakob auf ihn zu.
    «Ich muss mit dir sprechen. Allein.»
    Gottfried knuffte ihn in die Seite. «Oh, Geheimnisse. Klingt ja sehr wichtig. Na, dann will ich nicht weiter stören. Vielleicht sehen wir uns nach dem Mittagessen.»
    «Was willst du?»,

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