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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Requisiten.
    Doch dann betrat Kaspar die Bühne, mit strahlendem Lächeln,die Arme zum Gruß erhoben. Und prompt schwoll der Applaus an, den er sichtlich zu genießen schien. Es waren, wie Agnes missmutig wahrnahm, vor allem die Frauen und Mädchen, die da so hingerissen in die Hände klatschten. Denn Kaspar war ein ausnehmend schöner Mann. Das dichte braune Haar, unterhalb der Ohren und im Nacken sorgfältig gestutzt, umrahmte sein bartloses Gesicht mit der geraden Nase und dem etwas kantigen Kinn. Sehr männlich wirkten Kaspars Züge, gleichzeitig hatten sie etwas Weiches, beinahe Mädchenhaftes durch die hellbraunen, leicht vorstehenden Augen unter fein geschwungenen Brauen und seinen schönen Mund mit den vollen Lippen. Dazu war er hoch gewachsen und von aufrechter, muskulöser Statur.
    Während im Hintergrund ein Bub das Dreigestänge mit den Bildtafeln aufstellte, stimmte Kaspar seine Laute, nicht ohne hin und wieder ein verschmitztes Lächeln ins Publikum zu werfen. Dabei entdeckte er Agnes. Sofort schlug er eine kleine Melodie an und sang, ohne den Blick von ihr zu wenden:
    «Königin Sonne, du leuchtest so!
    Ich und der Sommer, wir brennen lichterloh!»
    Obwohl immer noch drückende Schwüle über dem Platz lag, lief Agnes ein Schauer über den Rücken. Kaspar ließ eine schnelle Akkordfolge anklingen, und der Junge deutete mit einem Stock auf das erste Bild. In grellen Farben zeigte es einen Tumult zwischen mehreren Männern, die sich inmitten umgestürzter Möbel vor einem weit geöffneten Fenster drängten.
    «Ihr Leute, höret die Geschichte,
    Die vor zwei Jahren ist geschehn,
    Die treulich ich euch nun berichte,
    Drum lasst uns dran ein Beispiel sehn.»
    Agnes nahm die Bilder nicht wahr, hörte nicht die Worte. Nur Kaspars schönes Gesicht hatte sie vor Augen, die Melodie seiner warmen tiefen Stimme im Ohr. Die kündete von dem bösen Streit zwischen den kaiserlichen Statthaltern Prags und den lutherischenStändevertretern, der für Böhmen so schlimme Folgen gezeitigt hatte.
    «Die Statthalter, die Kaisertreuen,
    Die stritten laut um Wort und Sinn
    Mit den Calvinern, Lutheranern,
    Was in des Kaisers Brief stand drin.
    Zum Fenster hat man sie gezogen,
    Den Slavata und Martinitz,
    Und rausgehaun in hohem Bogen
    Gradwegs auf einen Haufen Mist.
    Der Schreiberling Fabricius,
    Der flog gleich hintendrein.
    Sie fielen tief, sie fielen weich,
    Auf Dreck von Rind und Schwein.
    Bald kündt von Pein und großer Not
    Ein Stern am Himmelsrand,
    Und seither schlagen sie sich tot
    Im schönen Böhmerland.
    Doch Martinitz und Slavata
    Samt Secretarius –
    Für sie war Glück und Ruhm nun da
    Mit Adelstitel und Genuss.
    So macht man aus ’nem armen Schreiber
    Fabricius von Hohenfall.
    Die andern massakrieren sich die Leiber
    Mit Spieß und Büchsenknall.
    Von der Geschicht so hört nun die Moral:
    Des einen Glück den andern wird zur Qual.»
    Agnes hatte kaum zugehört. Ungeduldig wartete sie darauf, dass Kaspar sein nächstes Stück beendete, ein rührseliges Schäferlied, für das er eigens Schlapphut und Schaffell angelegt hatte. Ein rothaariges Mädchen von vielleicht fünfzehn Jahren drängte sich neben sie. «Na, wartest du auf deinen Liebsten?»
    Es schien nicht böse gemeint, denn auf dem sommersprossigen Gesicht der Rothaarigen erschien ein freches Grinsen. Es war die Tochter des Prinzipals, das wusste Agnes inzwischen. Seit Kaspar seinen Weggefährten erzählt hatte, dass Agnes als Kind selbst mit Gauklern gezogen war, begegneten ihr die Leute von der Truppe zwar nicht immer freundlich, aber doch ohne Misstrauen.
    Endlich verschwand Kaspar nach einer knappen Zugabe hinter dem Vorhang. Kurz darauf stand er neben ihr.
    «Mein Goldschatz!»
    Er zog sie in den Schatten des Requisitenwagens, wo er sie zärtlich umarmte. Wieder wurde ihr heiß und kalt zugleich, doch diesmal kämpfte sie dagegen an, denn sie wollte nicht wie eine dumme Jungfer vor ihm stehen. Sie war nicht ganz so unerfahren, was immer Kaspar von ihr denken mochte.
    «Ich hab schon gemeint», er küsste ihre Lippen, «du lässt mich sitzen.»
    «Es gab Streit mit meinen Eltern», flüsterte sie. «Lass uns woanders hingehen. Vielleicht im Hirschgraben spazieren.»
    «Wohin du willst. Und danach   –» Er strich über den Ansatz ihrer Brüste.
    «He, Kaspar, Schluss mit den Tändeleien! Los, hilf abbauen!» Ein vierschrötiger Mann mit wilder grauer Mähne stand plötzlich direkt neben ihnen. Agnes machte sich hastig von Kaspar los; sie

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