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Die Geächteten

Die Geächteten

Titel: Die Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hillary Jordan
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angespannt.
    Hannah stellte sich diesen Abschied vor. Kaylas rote Hand, die nach Pauls weißer Hand tastete, die Körper, die gegen das Poltern ihrer Herzen ankämpften, der Versuch, innerhalb von Sekunden über die verschlungenen Hände miteinander zu kommunizieren: sich für den Fall, dass sie sich niemals wiedersehen würden, mitzuteilen, was sie einander bedeuteten. Ein grausamer Abschied, aber besser so ein Abschied als der, den Hannah und Aidan hatten, und der eigentlich kein Abschied gewesen war.
    »Gute Reise«, sagte Paul.
    Die Tür des Lieferwagens ging auf und wieder zu. Und sogleich hörte Hannah ein anderes Auto starten und davonfahren. Auch dir eine gute Reise, Vincent , dachte sie. Sie stellte sich einen Gott vor, der eine Mission wie die ihrige segnen würde. Doch es gelang ihr nicht.
    Die drei Frauen warteten schweigend. Unter der Kapuze wurde es heiß und stickig, und Hannahs Lunge verlangte nach frischer Luft. So weit war es schon gekommen, dass Sauerstoff, eines der grundlegendsten Dinge, für sie zum Luxusgut geworden war. Schokolade, Seide, Liebe – all das war jetzt wertlos geworden, jetzt, wo sie bereit war, ihre Seele für einen einzigen tiefen Atemzug zu verkaufen.
    » Ben , wir werden jetzt Stanton treffen«, kündigte Simone endlich an. »Er wird euch auf dem nächsten Abschnitt eurer Reise begleiten. Ihr werdet genau das tun, was er euch sagt.« Sie startete den Lieferwagen, bewegte ihn jedoch nicht von der Stelle. »Hört mir zu. Ihr denkt, ihr habt bereits das Schlimmste auf dieser Welt gesehen und erlebt, weil ihr verchromt seid. Ihr denkt, das hat euch stärker, weiser gemacht. Und vielleicht ist das auch ein bisschen so. Doch ihr beide seid immer noch wie kleine Kinder. Ihr vertraut anderen viel zu schnell.« Ihr Ton hatte nichts von seinem gewöhnlichen Spott. Was Hannah stattdessen vernahm, war etwas, das erstaunlicherweise nach Mitgefühl klang. »Wenn ihr Stanton verlassen habt, wird die Straße gefährlicher werden. Ihr dürft niemandem trauen, nur euch selbst. Niemandem, hört ihr?«
    Simone gab Gas. Sie fuhren ein kleines Stück, höchstens einige Kilometer, dann stoppte sie. »Wartet hier«, sagte sie und stieg aus. Hannah hörte, wie eine andere Tür geöffnet wurde. Sie riskierte es, ihre Kapuze hochzuziehen, und sah, wie Kayla bereits aus der Windschutzscheibe spähte. Es war zu dunkel, um viel zu sehen, doch Hannah konnte Simones schlanke, groß gewachsene Gestalt erkennen, die eine wesentlich kleinere Gestalt, die Stanton sein musste, umarmte – ja umarmte! Hinter ihnen sah sie die schwache Silhouette einer hohen Brücke und darunter den Glanz von Wasser.
    »Ich erkenne diesen Platz wieder«, sagte Kayla. »Wir sind unten am Fluss. Was denkst du über die kleine Rede, die Simone gehalten hat?«
    »Ich glaube, sie war dort, wo wir jetzt sind, oder irgendwo, wo es so ähnlich war.«
    »Wie kommst du darauf?«
    Hannah zögerte, denn sie wollte nicht preisgeben, was sie über Simones Vergangenheit erfahren hatte. Sie hatte das Gesicht der Angestellten in der Bibliothek vor Augen, bevor und nachdem sie ihren Ausweis gescannt und gewusst hatte, dass sie eine Abtreibung gehabt hatte. Es ist persönlich . Plötzlich bekam dieser Satz eine ganz neue Bedeutung. Simones Geheimnisse waren ihr nicht freiwillig verraten worden. Sie zu kennen war bereits eine Übertretung, und sie mit jemandem zu teilen wäre wie eine Vergewaltigung.
    »Nur so ein Gefühl, das ich habe«, sagte Hannah. »Darüber hinaus hat sie recht. Wir sollten niemandem trauen. Nicht einmal ihr.« Simone und Stanton näherten sich der Rückseite des Lieferwagens. »Da kommen sie.« Hastig zogen beide Frauen ihre Kapuzen über den Kopf. Die Hintertüren wurden geöffnet, und frische Luft strömte herein.
    »Kommt«, sagte Simone, ergriff Hannahs Arm und half ihr, über die Kisten aus dem Lieferwagen zu steigen. Als Hannah zu stehen versuchte, knickten ihr die Beine weg, weil sie vom stundenlangen Sitzen verkrampft waren.
    »Hoppla«, sagte Stanton. Eine Hand ergriff ihren anderen Arm und stützte sie. »Ich bringe sie von hier weg, Simone. Du kümmerst dich um die andere.«
    Simone ließ ihn gehen, und Stanton führte Hannah vorsichtig vorwärts. »Sachte! Ich halte dich fest.« Er hielt an. »Kofferraum auf«, sagte er, und Hannah hörte ein Geräusch. »Es tut mir leid, dass ihr beiden Damen jetzt hier reinmüsst, aber es dauert nur einen kurzen Moment. Das verspreche ich.«
    Hannah versteifte sich, als er

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