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Die Geächteten

Die Geächteten

Titel: Die Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hillary Jordan
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Gefühl, als würde ihr Frühstück wieder hochkommen. »O Gott, ist mir schlecht.«
    »Atme tief ein und aus«, sagte Kayla. »Noch schlimmer, als in einem Kofferraum eingesperrt zu sein und gekidnappt zu werden, ist, gekidnappt zu werden und in einem Kofferraum mit Erbrochenem zu liegen.« Hannah atmete, um ihre Panik zu überwinden. »Auf der anderen Seite«, fügte Kayla hinzu, »entschließen sie sich vielleicht, uns zurückzuschicken und von Stanton das Geld zurückzufordern, wenn wir uns die Seele aus dem Leib gekotzt haben. Was meinst du? Ist es einen Versuch wert?«
    Das tiefe Atmen und der Witz ihrer Freundin hatten den gewünschten Effekt, und Hannah spürte, wie ihre Übelkeit allmählich nachließ. »Das Lustige daran ist«, sagte sie, als sie wieder sprechen konnte, »dass im Gegensatz zu dem Bauern Stanton, glaube ich, ein schlechtes Gewissen hat. Ich denke, deshalb hat er uns auch bekocht … es war so eine Art Sühne.«
    »Huh! Eine Art Sühne – dass ich nicht lache. ›Sorry, meine Damen, ich werde euch in die Sklaverei verkaufen‹«, sagte Kayla, während sie seinen Akzent nachahmte, »›doch hier habt ihr köstliche Brownies, bevor es losgeht.‹ Du hinterhältiger Scheißkerl.« Sie klang fester und weniger ängstlich. Nur ein bisschen Zorn, um Furcht und Kummer abzuschwächen , dachte Hannah. »Ich frage mich, mit wie vielen anderen Frauen er dies bereits getan hat.«
    »Simone hat gesagt, dass drei Frauen verschwunden sind.«
    »Eine für den Salon, eine für die Bibliothek und eine für die Küche«, sagte Kayla. »Du und ich sollen die Renovierung des Speisezimmers und die seines Schlafzimmers finanzieren.«
    Ihr Kidnapper hatte mittlerweile das große Finale erreicht: »Wenn sie dir schöne Augen macht, dann lauf, so schnell du kannst … Cuz duldet keinen anderen Mann neben sich … Es ist die Hölle, der andere Mann zu sein.« Bei der letzten Silbe sang er eine Oktave höher, um mit kreischender Falsettstimme zu enden.
    Als er still war, sagte Kayla mit leiser Stimme: »Ich glaube, die anderen Frauen sind inzwischen alle tot.«
    »Das hoffe ich um ihretwillen«, erwiderte Hannah.
    Wie in stillschweigender Übereinkunft verbrachten sie die Zeit damit, über andere Dinge zu sprechen – über die Kindheit, die Familie und natürlich über die Liebe. Ihr leises Gemurmel wob sich wie eine weiche Decke um sie, und aus ihrer allzu kurzen Wärme nahmen sie sich das, was sie tröstete. Hannah war klar, dass man sie aller Wahrscheinlichkeit nach trennen würde, wenn sie erst einmal an ihrem Ziel angekommen waren. Doch sie schob den Gedanken daran beiseite und hörte Kaylas Erinnerungen an deren erste Liebe Brad zu, »der sich als schwul outete, was ich eigentlich immer geahnt hatte, und trotzdem war ich ganz schön fertig, als er es mir dann erzählt hat«. Dann berichtete sie von ihren beiden nächsten Freunden: »Shaun war fesch und lustig und süß, doch er war der Typ, der sich binden wollte, und ich war noch nicht so weit, so schnell wieder eine ernsthafte Beziehung einzugehen. Und dann war da Martin, ein reicher Engländer, der zwanzig Jahre älter war als ich. Ich habe ihn im Kimbell Art Museum kennengelernt, vor dem Gemälde eines Adligen mit gepuderter Perücke aus dem achtzehnten Jahrhundert. So in etwa habe ich ihn auch in Erinnerung. Es hätte niemals funktioniert, selbst dann nicht, wenn ich mich nicht in TJ verliebt hätte. Martin wollte mich nur in seiner Schachtel aufbewahren. Es war eine Schachtel aus Samt, aber es war eben eine Schachtel. Verstehst du, was ich meine?« Kayla lachte leise. »Dumme Frage, wenn man bedenkt, wo wir uns gerade befinden.«
    »Oh, ich verstehe das gut«, sagte Hannah mit Bitterkeit in der Stimme. »Ich könnte ein Buch darüber schreiben.« Eine Schachtel nach der anderen, in die man sie gesteckt hatte, tauchte vor ihrem inneren Auge auf: Die »Liebes-Mädchen-Schachtel« und die »Gute-Christin-Schachtel«. Das enge Nähzimmer über der Garage. Die »Mätressen-Schachtel«, in die sie in all den gleich aussehenden Hotelzimmern gesteckt worden war. Der drückend heiße Raum im Apartment 122. Die Gefängniszelle, der Befragungsraum, die »Zeugenschachtel« in ihrer Verhandlung. Die »Schlechte-Tochter-« und »Gefallenes-Mädchen-Schachtel«. Der Erleuchtungsraum, Mrs. Henleys Salon. Die verschlossenen Räume im sicheren Haus und bei Stanton. Die Holzkiste. Und nun, schon zum zweiten Mal, der Kofferraum eines Autos. Mit schmerzlicher Klarheit erkannte

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