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Die Geächteten

Die Geächteten

Titel: Die Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hillary Jordan
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ein paar Sterne, die neben einem großen Dreiviertelmond verblassten. Sie nahm einen hölzernen Bootssteg wahr, der sich zu einem großen weißen Flecken hin verjüngte, trapsende Schritte auf Holz sowie Kaylas Kopf, der schlaff nach hinten hing und den Bootssteg hinunter auf und ab wippte, weg von Hannah. Eine Hand grabschte nach ihrer Brust und kniff in ihre Brustwarzen. Sie hörte das Geräusch eines Motors, das ihr schmerzvolles Keuchen verschluckte.
    Der Salzgeruch des Meeres war das Letzte, was sie wahrnahm, bevor sie in die unendliche Leere glitt.

V. Wandlung

 
    ALS DIE FINSTERNIS SICH AUFZULÖSEN BEGANN, wusste sie zuerst gar nichts. Da gab es nichts, was in ihr Bewusstsein rückte, nur unendliches Nicht-Sein. Sie war nicht in der Leere, sie war die Leere.
    Sie. War.
    Die Leere begann sich zu lichten, verblasste zu einem nicht mehr richtigen Schwarz, verblasste zu einem tiefen, rußigen Grau, verblasste zu einem Schiefergrau, verblasste zu einem schmutzigen Grau. Ein glühender winziger Punkt durchstach die Finsternis. Er pulsierte – Hannah! –, und sie sah ein glänzendes Staubkorn. Es pulsierte wieder und wieder – Hannah! – und wurde mit jedem explodierenden Glühen strahlender. Es versengte ihre Augen, es stach in ihre Ohren, es erschütterte ihr Nicht-Sein. Hannah! Das Staubkorn leuchtete wie eine Sonne, überwältigend, allumfassend. Sie ging dort hinein, ging in sich selbst hinein. Sie war das Staubkorn.
    »Hannah! Wach auf!« Ihre Augenlider fühlten sich an, als würden Ziegelsteine darauf liegen, doch der Befehl zwang sie, diese zu öffnen. Das Zimmer – sie war in einem Raum – schwamm. Sie lag in einem Bett auf der Seite. Von der Taille an war sie nackt. Das rief eine Erinnerung in ihr wach: ein drückend heißer Raum, ein Tisch mit einem Dinosaurier-Laken bedeckt, der Glanz medizinischer Instrumente, der Geruch von Blut. Ihr war schlecht, und sie stöhnte. Ihr Körper brach in Schweiß aus, und sie würgte. Ein Abfalleimer erschien neben ihrem Gesicht. Sie spuckte hinein. Ein Stück Papier wischte ihren Mund ab.
    »Besser jetzt?« Die Stimme der Frau war vertraut. Hannah schüttelte den Kopf, stöhnte, erbrach sich erneut. Das Stück Papier kehrte zu ihrem Mund zurück. »Besser?« Sie nickte. »Leg dich auf den Rücken«, sagte die Stimme. Hannah versuchte ihr zu gehorchen – sie musste ihr gehorchen –, aber ihre Glieder waren zu schwach. Hände drehten sie um, und ein kaltes, feuchtes Handtuch wurde auf ihre Stirn gelegt. Ein Gesicht erreichte ihr Blickfeld, ein weißer Mond, der über ihr schwebte. Sie kannte das Gesicht und durchforstete ihr Gehirn, um den Namen dazu zu finden.
    »Du bist in Sicherheit, Hannah. Die Männer, die versucht haben, euch zu kidnappen, sind tot.«
    Hannah erinnerte sich an ein anderes Gesicht, das anzüglich auf sie herabblickte. Sie spürte eine riesige Hand, die an ihr herumfummelte, ihr wehtat. Sie winselte und fuhr zusammen, versuchte, dieser Hand zu entkommen. Hände packten ihre Schultern und drückten sie nieder. »Pst, beruhige dich, du bist in Sicherheit«, sagte die Frau – ihr Name war Simone. Mit einem Mal entspannte sich Hannah, und sie ließ ihren Kopf in die Kissen fallen. »Sie haben dich nicht verletzt, aber sie haben dich betäubt, diese salauds . Deshalb fühlst du dich so krank, von dem Beruhigungsmittel, das sie dir verabreicht haben.«
    Sie erinnerte sich an eine Spritze in ihrem Arm, sie erinnerte sich, wie Kayla mit herabhängendem Kopf weggetragen wurde. Mit allergrößter Mühe drehte Hannah ihren Kopf nach rechts und links, um nach ihrer Freundin zu suchen. In dem Zimmer stand ein zweites Bett, aber es war unbenutzt, sah ordentlich gemacht aus. Auf dem Nachttisch lag eine Pistole. In ihrem Kopf läuteten die Alarmglocken und fegten etwas von dem wabernden Nebel weg. Wo war Kayla? Sie versuchte zu fragen, doch ihre Zunge war träge, unbeweglich. Sie schaffte es, ein Flüstern zustande zu bringen: »Wo?«
    Simone verstand sie falsch. »Wir sind noch in Mississippi, an einem Ort namens Palagousta, Pascalula.« Eine ungeduldige Geste. »Wir sind an der Küste.«
    Hannah stöhnte enttäuscht auf. »Kay …«, sagte sie.
    »Ah«, sagte Simone. »Sie hatten ein Boot. Wir waren nur einen Kilometer hinter euch, aber sie waren zu schnell. Wir kamen an, als sie sie gerade an Bord trugen. Während des Schusswechsels sind sie raus aufs Meer.«
    Wir . Das hieß Simone und Paul. Wo war Paul?
    »Wir haben die beiden erwischt, die dich in

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