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Die Geächteten

Die Geächteten

Titel: Die Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hillary Jordan
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hervor. An das Hotel in San Antonio. Und mit den Erinnerungen kam ganz automatisch das stechende Verlangen. Selbst jetzt, nach allem, was passiert war, fühlte sie es.
    Begonnen hatte alles mit einem Anruf einige Wochen vor Weihnachten. Die Niedergeschlagenheit, die in den letzten Wochen mit Will wie Blei auf ihr gelastet hatte, war verflogen. Für sie war klar geworden, sie würde sich nicht mit einem seichten Gefühl zufriedengeben. Es musste schon tiefe Liebe sein. Sie hatte es einmal gespürt, zumindest die Anfänge, und sie könnte und würde es wieder empfinden. Aidan Dale, sie fegte ihn mit aller Gewalt aus ihren Gedanken. Sie flehte Gott an, ihr für ihr Verlangen zu vergeben, und sie schwor Ihm und sich selbst, dass sie niemals wieder so schwach sein würde.
    So war ihr Gemütszustand, als das Kirchenbüro sie anrief. Im 1. Korinthischen Missionswerk war eine Halbtagsstelle zu vergeben. Ob Hannah interessiert sei?
    Einen Moment war sie zu erstaunt, um eine Antwort geben zu können. Sie hatte vor einigen Jahren in der Gemeinde nach Arbeit gefragt, aber die bezahlten Stellen waren rar und überaus beliebt. Es war also nichts daraus geworden. Das 1. Korinthische Missionswerk oder das 1. KM, wie es genannt wurde, war der karitative Zweig der Kirche, beauftragt damit, den bedürftigen und notleidenden Mitgliedern der Gesellschaft zu helfen. Es war das Lieblingsprojekt von Pastor Dale. Man konnte ihn oft hinter dem Steuer eines der glänzenden weißen Lastwagen sehen, die den Armen Nahrungsmitteln brachten sowie Drogensüchtige zur Reha und Homosexuelle zur Therapie. Er hatte das Missionswerk nach seinem Lieblingsbibelvers – 1. Korinther 13,2 – benannt, den er oft in seinen Predigten und in Gesprächen zitierte. Dabei verwendete er stets die Übersetzung der King-James-Bibel: »Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Nächstenliebe nicht, so wäre ich nichts.« Im Gegensatz zu neueren Übersetzungen war hier von Nächstenliebe und nicht von Liebe die Rede. Es gibt unendlich viele Arten der Liebe, pflegte Pastor Dale zu sagen, doch die Nächstenliebe ist die reinste unter ihnen, denn sie ist die einzige, die nicht danach fragt: Was kommt für mich dabei heraus?
    Hatte Aidan Hannahs Namen nach vorn auf die Liste gesetzt? Und wenn er es getan hatte – warum sonst sollten sie nach so langer Zeit anrufen? –, hatte er dies aus Freundlichkeit oder aus einem anderen Grund getan?
    »Miss Payne?«, fragte die Frau und holte Hannah aus ihren Gedanken. »Würden Sie gern zu einem Gespräch vorbeikommen?«
    Reine Freundlichkeit, sagte sich Hannah, als sie den Termin vereinbarte. Freundlichkeit und nichts anderes.
    Sie hatte das Bewerbungsgespräch mit der Büroleiterin Mrs. Bunten, einer Frau im mittleren Alter mit einem abweisenden, tief zerfurchten Gesicht, das eine leidenschaftliche und mütterliche Art überdeckte. Hannah erfuhr erst später, dass die Falten durch Trauer und Leid entstanden waren. Mrs. Bunten hatte ihren Mann und zwei Söhne in einem dieser schlimmen Aufstände verloren und war danach wiedergeboren worden. Jetzt, zehn Jahre später, war die Kirche des Entzündeten Wortes ihre Heimat, und Pastor Dale war die glorreiche Sonne, die mittendrin schien. Das war für Hannah von Anfang an offensichtlich. Mrs. Bunten sprach verliebt von Gott und Seinem Sohn, doch wenn sie von Aidan sprach, bekam ihr Gesicht den Glanz wahrhafter Verehrung.
    Der entscheidende Moment in diesem Gespräch kam, als sie über die Genesung von Hannahs Vater sprachen. »Ein Wunder«, sagte Mrs. Bunten.
    »Ja«, stimmte Hannah zu. »Ich danke Gott jeden Tag dafür. Gott und Pastor Dale.«
    Mrs. Bunten schenkte ihr ein verzücktes Lächeln. »Ich finde, dass Sie perfekt zu uns passen würden.«
    Sie arbeitete zwanzig Stunden die Woche. Die meiste Zeit erledigte sie Kirchenarbeit im Büro des 1. KM, manchmal bat man sie auch, in der Suppenküche mitzuhelfen oder Nahrungsmittel auszuliefern. In ihrer ersten Arbeitswoche sah sie Aidan nicht ein einziges Mal. Doch dann am Montag der Folgewoche marschierte er ins Büro mit einem sperrigen Turm aus leuchtend bunten Schachteln mit Kinderspielzeug im Arm. »Ho, ho, ho«, dröhnte er leicht außer Atem.
    Mrs. Bunten lief auf ihn zu, um ihm zu helfen. Hannah – gefangen zwischen Verlangen und Abneigung – folgte ihr etwas langsamer.
    Mrs. Bunten nahm ihm die oberen

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