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Die Geächteten

Die Geächteten

Titel: Die Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hillary Jordan
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Seele für wahre Reue. Amen.«
    Die Henleys ließen Hannahs Hände los. Hannah fühlte sich seltsam beraubt. Mrs. Henley nahm ein Kreuz, so wie Eve es trug, aus ihrer Tasche und forderte Hannah auf, es umzuhängen.
    »Du wirst es niemals abnehmen, nicht einmal zum Schlafen. Erst dann, wenn du bereit bist, von uns zu gehen«, sagte Pastor Henley. »Das Kreuz ist der Schlüssel, der dir erlaubt, das Zentrum zu betreten und die dir zugewiesenen Bereiche. Du wirst hier nicht allzu viel Technik finden. Wir haben hier kein Netzwerk, keinen Servbot oder Smartroom, nichts, was zwischen uns und Gott stehen könnte.«
    »Hast du deinen Ausweis dabei?«, fragte Mrs. Henley. Hannah nickte. »Gib ihn mir. Ich werde ihn für dich aufbewahren.«
    Als sie zögerte, sagte Pastor Henley: »Niemand wird gezwungen hierzubleiben, Hannah. Du kannst jederzeit das Zentrum verlassen. Du musst nur fragen, dann geben wir dir deinen Ausweis zurück. Aber wenn du uns verlässt und wieder in die Welt hinausgehst, dann gibt es keine Rückkehr, hast du verstanden?«
    »Und was ist mit meiner Verlängerung?« Hannah musste das Zentrum voraussichtlich Ende Januar dafür verlassen. Verlängerungen waren alle vier Monate zwingend notwendig, und versäumte man diesen Termin, waren die Folgen schwerwiegend. Bekam sie ihre Spritze nicht zum fälligen Datum, würde die Halbwertzeit des Virus verfallen und die Verchromung nach und nach verblassen, bis ihre Haut wieder völlig normal wäre. Leider würde sie zu diesem Zeitpunkt innerlich zu zerstört sein, um sich darum kümmern zu können.
    Die Regierung hatte den Weg der Zerstörung gewählt, um sicherzustellen, dass die Verchromten auch wirklich verchromt blieben. Ungeachtet der größten Bemühungen der Wissenschaftler war die Haut-Verchromung nicht von Dauer. Das Mittel, welches die Hautmutation verursachte, begann nach sechzehn Wochen in der Wirkung nachzulassen. Um sicherzustellen, dass die Verchromten tatsächlich zur Verlängerung erschienen, hatten die Wissenschaftler ein zusätzliches Mittel entwickelt, das sie bei der Verchromung einsetzten. Allerdings wurde es erst nach sechzehn Wochen aktiviert. Wenn es zu wirken begann, startete der Prozess der Zerstörung. Das war alles, was Hannah oder irgendein anderer wusste – abgesehen von den Genetikern, die in der Bundesverchromungsbehörde angestellt waren. Der genaue Vorgang der Zerstörung war ein gut gehütetes Geheimnis. Doch wie jeder andere Amerikaner über zwölf Jahre war sie gut über die Symptome unterrichtet.
    Es begann mit einem schwachen Flüstern, sporadisch und undeutlich. Nahm die Zerstörung des Gehirns zu, wurde das Flüstern lauter, und man bekam ausgeprägte auditive Halluzinationen. In so einem Zustand war jeder davon überzeugt, dass die Welt und alle Menschen darin heimtückisch waren. Man würde nicht einmal bemerken, wenn die Haut sich wieder normalisierte, denn die Paranoia verschlang einen, wodurch man von seinem Körper abgekoppelt wurde. Man vergaß zu baden, sich das Haar zu bürsten, die Kleidung zu wechseln, zu essen und zu trinken. Die Sprache wurde sinnwidrig, verschlüsselt und zusammenhanglos wie die Gedanken. Zum Schluss würde man nur noch Stimmen hören, sich selbst verstümmeln oder töten. Nur eine Verlängerung konnte diesen Prozess stoppen. Hunderte Verchromter hatten versucht, das Ganze durchzustehen, so lange auszuhalten, bis sie auf der anderen Seite angekommen wären. Niemand hatte es geschafft. Es gab keine andere Seite.
    »Natürlich werden wir dich hinbringen, wenn es so weit ist«, sagte Mrs. Henley. »Wir bringen alle Mädchen dorthin. Es gibt ein Chrom-Zentrum in Garland.« Sie streckte Hannah die Hand entgegen. Hannah zog ihren Ausweis aus der Rocktasche und reichte ihn ihr.
    »Danke. Und nun«, begann Mrs. Henley mit funkelnden blauen Augen, »werden wir dich allein lassen, damit du dich ausziehen kannst.«
    »Wie bitte?«
    »Du darfst den Weg mit nichts außer dir selbst betreten«, sagte Pastor Henley. »Lass all deine Sachen auf der Bank liegen, und wenn du fertig bist, gehst du durch die schmale Tür.« Er streckte seinen Arm aus und legte seine Hand auf Hannahs Kopf. »Keine Angst, der Herr ist bei dir.«
    Die Henleys entschwanden durch die Seitentür. Als sie fort waren, hob Hannah den Blick zu dem leuchtenden Gesicht Maria Magdalenas. Sie zog Bluse und Rock aus, ihren BH und Schlüpfer, faltete alles zusammen und legte es ordentlich auf die Bank. In der kalten Luft des Raumes zitterte sie.

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